Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

66 Allgemeiner Teil. 
den Gemeinden (als Eigentümern der Straße) ob, jedoch kann die Pflicht 
durch Observan zroder Ortsstatut den Anliegern bezüglich der Bürger- 
steige übertragen werden. Ist dies geschehen, so kann durch eine P.-Verordnung 
diese Pflicht gegenüber den zur Straßenreinigung bereits Verpflichteten nach 
Art und Maß näher geregelt werden.“ « 
Aber sonst: 
„Der allgemein anerkannte Grundsatz, daß sich durch Polizeiverordnung 
keine neue Pflichten begründen lassen, gilt, wie objektiv für die Pflicht über- 
haupt, so subjektiv für die Person des Verpflichteten, d. h. eine P.-Verord- 
nung kann auch die Person des Pflichtigen nicht ändern, nicht an Stelle des 
allein Pflichtigen eine andere Person, einen bisher nicht Pflichtigen setzen.“ 
(O. 64 S. 454). 
Anderer Ansicht war das R . 76 S. 164—6. Nach dieser 
Entscheidung kann zwar nicht die Straßenreinigungspflicht auf die 
Anlieger abgewälzt, sondern nur gegenüber den bereits durch Orts- 
recht verpflichteten Personen nach Art und Maß näher geregelt werden, 
wohl aber nach §6 f des PVerwG. von 1850 unter dem Gesichtspunkte 
der „Sorge für Leben und Gesundheit“ die Streupflicht bei 
Schnee= und Eisglätte auf die Straßenanlieger übertragen 
werden: 
„Unter diesem Gesichtspunkte muß die Streupflicht rechtlich anders 
beurteilt werden, als die in dieser Hinsicht mit ihr nur in äußerlicher Ver- 
bindung stehende Pflicht zur Straßenreinigung; denn während die Straßen- 
reinigung als solche nur Ordnung im Verkehre schaffen soll, dient das gegen 
die Schnee= und Eisglätte gerichtete Streuen vor allem dazu, die menschliche 
Gesundheir vor Schaden zu bewahren. 
Nun sind die Gemeinden vielfach, selbst bei Anwendung verhältnismäßig 
hoher Kosten, außerstande, bei plötzlich eintretender Winterglätte durch Streuen 
ihrer auf den ganzen Ortsbezirk ausgedehnten Straßenunterhaltungspflicht 
zu genügen und das zu leisten, was zur Abwendung von Gesundheitsgefahren 
schnellstens geleistet werden muß. Nach Lage der jetzigen Gesetzgebung ist den 
Gemeinden auch durch erhebliche rechtliche Schwierigkeiten noch der Ausweg 
verlegt, den Anliegern der öffentlichen Straßen die Beseitigung der Schnee- 
und Eisglätte als Gemeindelast aufzuerlegen (vgl. Begründung des Entwurfs 
eines Gesetzes über die Reinigung öffentlicher Wege vom 1. Jan. 1911, 
Drucks. des Herrenhauses 1911 Nr. 22 S. 10). Unmögliches oder doch un- 
verhältnismäßig Drückendes wird den Gemeinden zugemutet, wenn sie durch 
sofortige Maßnahmen die plötzlich eintretenden Gefahren der Winterglätte 
alsbald beseitigen sollen. In solcher Lage aber ist ein Eingreifen der Gesund- 
heits= und Gefahrspolizei veranlaßt. Wenn die Polizei, um drohende, nicht 
anders zu beseitigende Gefahren von der menschlichen Gesundheit abzuwenden 
(vgl. Wolff, Gesetzgebung über das Polizeiverordnungsrecht 1910 S. 147), 
die Mitwirkung der Anlieger und Anwohner für geboten hält, so kann eine- 
solche, dem § 6Gf der Verordnung vom 20. September 1867 gerecht wer- 
dende Polizeiverordnung, die, wie hier der § 10, dem Grundeigentümer die 
positive Leistung des Streuens bei Schnee= und Eisglätte auferlegt, nicht als 
unzulässig beanstandet, insbesondere ihre Gültigkeit nicht ausschließlich da- 
von abhängig gemacht werden, wer gesetzlich die Straße zu unterhalten und zu 
reinigen hat. Dazu kommt hier, was bei der Prüfung der Gültigkeit der 
Polizeiverordnung mit zu beachten ist, daß den Grundeigentümern, wenn
	        
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