Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

72 Allgemeiner Teil. 
(Generalklausel) des Polizeiverwaltungsgesetzes Polizeiverordnungen 
nur zur Abwendung von Gefahren ergehen, nicht aber zur Förderung 
der allgemeinen Wohlfahrt. So Kammergericht und O. 1) A. A. 
Rosin?), nach welchem ALR. § 10 II 17 nur die Grundlage von 
Polizeiverfügungen ist, von Polizeiverordnungen dagegen weder 
Grund noch Grenze. Nach ihm ist das Polizeiverordnungsrecht ein 
Moajestätsrecht und daher ebenso unbegrenzt wie das Recht der Gesetz- 
gebung (im Sinne des ALR. natürlich), deshalb können sich nach ihm 
Polizeiverordnungen sowohl auf die Sicherheit wie auch auf die 
Wohlfahrt der Bürger beziehen. Dagegen Biermann: Privatrecht 
und Polizei in Preußen S. 10: „Diese Ansicht führt zu unannehm- 
baren Resultaten, es können dann auch Kleiderordnungen usw. ange- 
ordnet werden; zum mindesten ist durch die Judikatur ein gewisses 
Recht gegen Rosin geschaffen.“ 
Die grundlegende Entscheidung des O#. 9 S. 353ff. führt u. a. 
folgendes aus: 
„die Aufgabe der Polizei wird umschrieben in dem § 10 Tit. 17 Teil II 
A#R., wonach es ihr Amtz ist: 
Die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicher- 
heit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publikum oder ein- 
zelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahren zu treffen. 
Die Berufungsschrift leugnet zwar, daß hiermit die Befugnisse der 
Polizei erschöpfend abgegrenzt seien. Der Beklagte behauptet, die Bestim- 
mungen im § 3 der Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Pro- 
vinzial-, Polizei= und Finanzbehörden vom 26. Dezember 1808 (Rabes 
Sammlung Preuß. Gesetze Bd. IX S. 467), in den §§ 34, 50 der Geschäfts- 
instruktion für die Regierungen vom 26. Dezember 1808 (Rabes Sammlung 
Bd. IX S. 415) und im § 7 der Regierungsinstruktion vom 23. Oktober 
1817 (GS. S. 248) ließen keinen Zweifel darüber, daß auch die Fürsorge 
für die öffentliche Wohlfahrt, die möglichste Förderung und Erhöhung des 
Gemeinwohls zur Aufgabe der Polizei, insonderheit der Landespolizeibehörden 
gehöre. Es geschieht das offenbar in Anlehnung an eine zuweilen auch in der 
Wissenschaft vertretene Anschauung, wonach die im 8§8 3 Tit. 13 T. II AL. 
dem Oberhaupte des Staates zugewiesene Pflicht, 
für Anstalten zu sorgen, wodurch den Einwohnern Mittel und Ge- 
legenheit geschafft werden, ihre Fähigkeiten und Kräfte auszubilden, 
um dieselben zur Beförderung ihres Wohlstandes anzuwenden, 
gleichfalls als im Berufe der Polizei liegend aufgefaßt wird. 
Die sehr weittragende Frage, ob und in wiefern dieser Ansicht eine Be- 
rechtigung beiwohnt, in ihrem ganzen Umfange zu erörtern, fehlt es hiers) an 
1) Vgl. insbes. OVG. 9 S. 353 ff. im Anschluß an die Ansicht des preuß. Ober- 
tribunals; KG. bei Johow u. Küntzel Bd. 4 S. 256. 
2) Vgl. Rosin, „Polizeiverordnungsrecht in Preußen“ S. 121 ff. 
3) Das OVG. verneinte die Rechtsgültigkeit der Polizeiverordnung des 
Berliner Polizeipräsidenten vom 10. März 1879 „Zzum Schutze des auf dem Kreuzberge 
bei Berlin zur Erinnerung an die Siege der Freiheitskriege errichteten, im Jahre 1878 
erhöhten Nationaldenkmals,“ die auf Grund der §8§ 5, 6 und 11 des Polizeiverwaltungs- 
gesetzes v. 11. März 1850 ergangen war und deren §1 bestimmte: „In den das Sieges-
	        
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