8 8. Strafrechtliche Wirkungen des Übertretens einer Polizeiverordnung. 77
das letztere gilt, da die Polizei nur beim Vorliegen eines öffent-
lichen Interesses nach pflichtmäßigem Ermessen einzuschreiten hat.
Jedoch dürfte sich aus §1 des Gesetzes betr. den Erlaß polizei-
licher Strafverfügungen vom 23. April 1883 für diese Straf-
verfügungen das Legalitätsprinzip ergeben.
Es heißt dort:
„Wer die Polizeiverwaltung ausübt, ist befugt, wegen
der in diesem Bezirke verübten, in sein Verwaltungsbereich
fallenden Ubertretungen Sttafverfügungen zu erlassen.“
Dem „Befugt“ entspricht ein „Müssen“, da sonst der Zweck des
Gesetzes vereitelt würde. So auch §2 der Ministerialanweisung vom
8. Juni 1883. Die Polizei kann also in geeigneten Fällen selbst
eine Strafverfügung erlassen, oder aber sie muß die Sache dem
Amtsanwalt übergeben. (So mit Recht Lubowski im Pr Verw l. 33
S. 709).
II. Voraussetzungen der Strafbarkeit. Zur Bestrafung wegen
Übertretung einer Polizeiverordnung ist Vorsatz oder Fahr-
lässigkeit erforderlich; unzulässig ist daher die Bestimmung, daß
der Eigentümer einer Sache ohne Rücksicht auf sein Verschulden straf-
bar ist, denn die Polizei darf die allgemeinen Grundsätze strafrecht-
licher Verantwortlichkeit nicht abändern und sie von anderen Voraus-
setzungen als vom Verschulden abhängig machen (KG. im Pr Verw Bl.
33 S. 431 und DJ Z. 1907 S. 1205).
Straflos, weil schuldlos, ist die Nichtbefolgung einer Polizei-
verordnung dann, wenn im Einzelfalle die Befolgung objektiv oder
subjektiv unmöglich war. (KG. Johow II S. 255). Jür Dritte, die
in einer Beziehung zu einer Sache (Haus) oder zu einem Gewerbe-
betriebe stehen (Angehörige, Mieter, Angestellte), ist einzustehen, so-
weit eine persönliche Kontrolle möglich ist; für juristische Personen
haftet der Vorstand bzw. der Beamte, den die Aufsichtspflicht trifft.
Auch der Ehemann haftet bezüglich des eingebrachten Gutes seiner
Frau, ebenso der Vormund, Pfleger, Testamentsvollstrecker, Konkurs-
verwalter und die Organe juristischer Personen (RG. in Straff. 33
S. 2641)).
1) Das RG. führt a. a. O. aus: „Alle juristischen Personen bedürfen, da
sie selbst weder willens= noch handlungsfähig sind, notwendig eines Vertreters,
welcher für sie die erforderlichen Willenserklärungen abzugeben und die durch den
Gewerbebetrieb notwendig gewordenen rechtsgeschäftlichen Handlungen mit direkter
Wirkung für und gegen die juristische Person vorzunehmen hat (§ 26 BG., durch
welchen für die dort behandelten juristischen Personen der Grundsatz der unbedingten
Notwendigkeit eines gesetzlichen Vertreters wiederholt ausdrückliche Anerkennung ge-
funden hat). Dem Vertreter einer juristischen Person liegt aber auch an Stelle der letz-
teren die Erfüllung derjenigen Verpflichtungen ob, welche ihr in öffentlichem Interesse
auferlegt sind, und er haftet infolgedessen auch schon nach allgemeinen Rechtsgrund-