Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

§ 9. Zivilrechtliche Wirkungen des Übertretens einer Polizeiverordnung. 81 
Grund haben. Die Nichtbefolgung einer Polizeiverordnung ist eine 
unerlaubte Handlung i. S. 8823 Abs. II BGB. 
II. Prozessual: Polizeiverordnungen sind nicht Statuten i. S. 
des § 293 Z PO., der Richter muß sie von Amtswegen kennen. Statuten 
in diesem Sinne (8 293) sind die auf der Autonomie engerer Kreise 
beruhenden Normen, also nicht die Lokalrechtsnormen, welche auf 
Gesetz beruhen und hin und wieder auch als statutarisches Recht bezeich- 
net werden (R. 43, 418) (vgl. Stein ZPO. S. 727). 
Die Revision in Zivilsachen kann nicht auf Nichtanwendung 
oder irrige Anwendung einer Polizeiverordnung gestützt werden, es 
sei denn, daß sie im Umfange von zwei Provinzen (d. h. auch formell 
über den Umfang des Berufungsgerichtes, d.h. des O#.) gilt, 
d. i. nur bei Ministerialverordnungen möglich (§549 ZPO., 86 
EG. z. ZPO. und §1 Kaiserliche Verordnung vom 28. September 
1879). 
Ist die Nichtbefolgung einer Polizeiverordnung eine Übertretung 
(bei Androhung von Haft oder Geldstrafe bis 150 Mark), so sind 
Versuch, Beihilfe und Begünstigung nicht strafbar. 
III. Kann jemand bei Ausübung des ihm durch die 88 227, 228 
BGB. gestatteten Verteidigungsrechtes eine Polizeiübertretung be- 
gehen? 
Diese Frage wird von Titze in der DJB. 1904 S. 285 ff. im 
Anschluß an folgenden, daselbst wiedergegebenen Rechtsfall behandelt: 
„Einem Taubenbesitzer K. ist wiederholt von der Katze seines Nach- 
barn erheblicher Schaden an seinen Tieren zugefügt worden. Eines 
Tages sieht er von seiner im ersten Stockwerk gelegenen Wohnung 
aus, wie die Katze wieder auf dem Taubenschlage vor dem Ausflugloche 
sitzt und den Tauben auflauert. Er schießt sie vom Fenster aus mit 
einem Tesching herunter. Die Folge ist eine Strafverfügung wegen un- 
erlaubten Schießens in der Nähe bewohnter Gebäude (StGB. 8367 
Ziff. 8). Das Schöffengericht spricht den K. aus dem Gesichtspunkte 
der Notwehr frei. Hingegen wird er vom LG. und vom O#. ver- 
urteilt, indem beide annehmen, daß es eine Notwehr gegen Tiere 
nicht gebe, daß hier vielmehr an und für sich § 228 Platz greife, der 
aber nur für die Sachbeschädigung, nicht auch für das verbotswidrige 
Schießen einen Rechtfertigungsgrund enthalte.“ 
Es ist davon auszugehen, daß eine Sachbeschädigung wegen 
Vorliegens der Voraussetzungen des § 228 BG#. nicht vorliegt. Wie 
steht es aber mit der konkurierenden Übertretung? Titze weist mit 
Recht darauf hin, daß § 228 BG lediglich den Eingriff in das fremde 
Eigentum gestatte, weshalb eine Handlung, die mit der Sach- 
beschädigung nicht zusammenfalle, nicht gleichfalls aus § 228 BGB. 
straflos sein könne. §54 StGB. liegt nicht vor. Auch der Satz, 
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Mohn, Verwaltungsrecht. (Praktischer Teil.)
	        
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