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alte Wartburg, die nachmalige Residenz der thuͤringer Landgrafen.
Er zog sich gar sehr den Verdacht zu, den angesehenen Pfalzgrafen
Friedrich im Walde ermordet zu haben, um nachher dessen Gattin
Adelheid zu heirathen. Er wurde vom Kaiser in die Acht erklärt,
von seinen Feinden mehrmals gefangen gesetzt und bestand bei diesem
Allen tausend Fährlichkeiten, half sich aber auch immer wieder durch
tausend erlaubte und unerlaubte Mittel. Daß er einst als Gefange-
ner von Giebichenstein bei Halle in die Saale gesprungen sei, bonnte
nur ein fabelnder Mönch erdenken und seine leichtgläubige Zeitge-
nossenschaft glauben. Doch hat er von dieser Sage her den Namen
des Springers erhalten. Im Alter, als er wohl fühlen mochte,
daß sein Habe und Besitzthum meist geraubt, seine Ehe uner-
laubt und verbrecherisch und sein ganzes Leben vielleicht allzureich
an sogenannten ritterlichen Thaten sei, machte er'eine Reise nach
Nom zum heiligen Vater, küßte dort den heiligen Pantoffel und bat
flehentlich um Erlaß für seine Sünden. Der Papst legte ihm auf,
ein schönes Kloster zu bauen und reich auszustatten, und Ludwig er-
baute nun nach seiner Rückkehr das berühmte Reinhardsbrunn, die
Grabstätte der thuringer Herrscher. Ja, er selbst nahm dort die
Kutte — die in jenen Tagen so Vieles gutmachte — und starb
dreizehn Jahre nach seiner Adelheid im vier und achtzigsten Jahre
seines Lebens.
8. Mai.
Hapoleon rückt 1813 wieder in Dresden ein.
Der 8. Mai 1813 war für Dresden, für das gesammte Sach-
sen, am meisten aber für den ehrwürdigen, königlichen Greis Fried-
rich August ein sehr banger Tag. Damals rückte Napoleon mit
seinem siegreichen Heere von Lüten aus wieder in Dresden ein. Vor
anderthalb Monaten waren die Franzosen in ziemlich kläglichem Zu-
stande von Dresden fortgezogen, und Niemand hatte geglaubt, daß
sie je wiederkehren könnten. Indeß waren die verbündeten Russen
und Preußen nach Dresden gekommenz; sie hatten gehofft, die Fran-
zosen vollends aufzureiben, und hatten auch die Sachsen aufgefordert,
mit ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen. Doch der König hatte
sich nach DPrag gewendet, um dort zu erfahren, was wohl Oestreich
in dieser verwickelten Zeit thun, ob er länger noch bei Napoleon hal-
ten, oder auf Rußlands und Dreußens Seite übertreten werde.
Oestreich zauderte und gab keine bestimmte Erklärung; die Russen
und Preußen schickten Gesandte, die den König zum Beitritte auf-