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1727 nieder und beschäftigte sich weit lieber mit der Gottes= als mit
der Rechtsgelahrtheit. Schon 1722 hatte er auf seinem Gute Ber-
thelsdorf eine Anzahl mährische Brüder, die aus Böhmen vertrieben
waren, aufgenommen und am Hutberge eine Gemeine und eine
Stadt gegründet, der er den Namen Herrnhut gab. Die neue Ge-
meinde ward ganz nach seinen frommen Grundsäßen eingerichtet
(siehe den 17. Juni), und Zinzendorf suchte ihr allenthalben neue
Anhänger zu werben, aber auch durch sie das Wort Gottes in ferne
Länder unter die Nichtchristen zu tragen. ODeshalb ließ er sich in
Preußen als Prediger examiniren und weihen und trat nun, um
seine Ansichten zu verbreiten und ähnliche Gemeinden auch ander-
wärts zu gründen, seine großen Reisen an. In Westindien, unter
den nordamerikanischen Wilden, in Liefland, Holland und England
lehrte und wirkte er. Dabei schrieb er unaufhörlich Schriften für
seine Gemeinden oder zu seiner Vertheidigung. Denn freilich fand
er auch viele Gegner, ward neun Jahre lang aus Sachsen förmlich
verbannt und war mit seinen oft allzu schwärmerischen, höchst sinnli-
chen Darstellungen gar Vielen mit Recht anstößig. — Aber sein
Sinn war fromm, sein Zweck war gut, und sein Werk ward schon
bei seinen Lebzeiten mit großem Erfolge gekrönt. Als er am 9. Mai
1760 starb, hinterließ er in vier Weltheilen Brüdergemeinden, die
seinen Namen mit Dayk nannten und das „Bete und arbeite“
fromm vor Augen hatten, und an seinem Begräbnißtage sangen mehr
denn zweitausend Brüder und Schwestern, mehr denn zweitausend
Fremde und zwei und dreißig Prediger aus den fernsten Gegenden
her: Ei, wie so selig schläfest Du und träumest sußen Traum!
10. Mai.
Schiller ttirbt.
Der Name Schiller ist jedem gebildeten Deutschen ein ehrwür-
diger Name, und allezeit gern hört er von ihm, dem großen ODichter,
Denker und Geschichtsforscher, der unsterblich für alle Zeiten in
Deutschland, wie in der ganzen gebildeten Welt fortlebt. Laßt dar-
um auch uns heute das Wichtigste aus seiner Lebensgeschichte hö-
ren. Schiller ward am 10. November 1759 in dem Würtember-
gischen Städtchen Marbach geboren, wo sein Vater pensionirter
Hauptmann war. Schon als Knabe zeigte er glänzende Geistesga-
ben, vorzüglich aber eine, feurige Einbildungskraft und ein weiches,
für alles Große und Gute leicht empfängliches Herz. Ein Schau-
spiel, das er in seinem neunten Jahre sah, zog ihn mächtig an und