Full text: Tägliche Erinnerungen aus der sächsischen Geschichte.

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bei des Koͤnigs Tafel kein Wort. Der Koͤnig ward aufmerksam und 
fragte nach der Ursache. „Ach,“ sagte Kyau, „wenn ich nur ein paar 
Minuten Koͤnig sein koͤnnte!“ Der Koͤnig erfuͤllte im Scherz den 
geaͤußerten Wunsch, und Kyau rief nun sogleich aus: „So ernenne ich 
denn den Wilhelm von Kyau zum Commandanten der Festung Koͤ— 
nigstein.“ — August lachte mit allen Anwesenden und verwandelte 
den Scherz in Ernst. Kyau lebte von nun an als Befehlshaber auf 
dem Koͤnigstein und starb auch dort im achtzigsten Jahre. Er war 
ein lustiger Mann, aber auch ein Wohlthäter der Armen, ein Ver- 
sorger seiner zahlreichen armen Anverwandten, ein väterlicher Freund 
der Gefangenen auf Königstein und ein Verschönerer der alten, wich- 
tigen Bergfeste. 
" 20. Januar. 
Ver Diechter Wieland stirbt. 
Einer von den großen und weitberühmten Dichtern Sachsens 
und Deutschlands, der, so wie Schiller#und Göthe; in Weimar lehte, 
starb am 20. Januar 1813: der Dichter und Froßherzogliche Hofrath 
Christoph Martin Wieland. Er war im: kehemaligen Schwaben, wo 
sein Vater Pfarrer war, geboren, studirte in Tübingen und. bielb' sich 
nach vollendeter Studienzeit in Zürich in der Schweiz auf, wotzer 
bereits anfing, Gedichte und andere Schriften. herauszugeben. 4 Noch 
mehr schrieb er weiterhin in Bern, in Biberach, in Erfurt und schuf 
sich dadurch einen so berühmten Namen, daß ihn die Großherzozin 
Amalia von Weimar. 1772 als Erzieher ihrer beiden Söhne dorthin 
berief und zum Hofrakh ernannte. Hier war die Zeit seines glänzende 
sten Wirkens. Hier dichtete er seinen Oberon, der ihm allein einen 
Rang unter den ersten Dichtern sichert. Hier schrieb er nach und 
nach eine solche Menge trefflicher Werke, daß wir jetzt drei und funfzig 
Bände von ihm besiten, ungerechnet die#v#elen kleinern Aufsätze, die 
in Zeitschriften von ihm erschienen. Hier lebte er mit seiner Gattin, 
die ihm vierzehn Kinder gebar, in der glücklichsten und zärtlichsten 
Ehe. Als Napoleon und Alexander von Rußland nach Weimar 
kamen, würdigten sie den ehrwürdigen Greis — damals war; er fünf 
und siebzig Jahr alt — langer Unterredung und großer Auszeichnung. 
Sein Ruhm drang durch Europa und ward auch von den Franzosen 
und Engländern aufs ehrenvollste anerkannt. Als er den 20. Januar 
1813 starb, wurden seine sterblichen Ueberreste, seinem Wunsche ge- 
mäß, in ein Grab mit seiner früher verstorbenen Gattin gelegt.
	        
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