Full text: Tägliche Erinnerungen aus der sächsischen Geschichte.

256 
  
und kuͤmmerte sich nicht um die Noth der Seufzenden. Als er am 
28. October 1763 vier Wochen nach seines Herrn Tode starb, er- 
gab sich, daß er über fünf Millionen Thaler veruntreut hatte. 
29. October. 
Kurfürlt Chriktian I. geboren. 
Der Sohn des unvergeßlichen Vater August, der sein Land 
beglückte, Kurfürst Christian l., war leider dem Vater wenig 
ähnlich. Der Vater war ganz Selbstherrscher — der Sohn bedurfte 
stets fremder Hilfe; jener lebte mehr dem Wohle seines Volkes als 
seinem Vergnügen — dieser war mehr auf das leßtere bedacht; je- 
ner war allseitig ein sorgender und vielgewandter Regent — dieser 
hatte nur einzelne, hervorstechende Seiten, von welchen er dem Lande 
nützlich ward. Er führte viele und kostspielige, jedoch auch nützliche 
Bauten aufz; er verbesserte Manches im Soldatenwesen; er unter- 
stützte mit Geld idie armen Reformirten in Frankreich. Aber im 
Uebrigen überließ er die Regierung fast ganz jenem Kanzler Crell, 
von welchem am 9. Ockober geredet ward. Dieser aber war ein 
heftiger Gegner der Lutheraner, suchte seine Confession, die refor- 
mirte, in Sachsen herrschend zu machen und nahm deshalb nament- 
lich in Religionssachen viele Veränderungen vor, die oft in Unge- 
rechtigkeiten ubergingen. Wie viele Geistliche, die nichts vom Krypto- 
calvinismus wissen wollten, wurden ihrer Aemter entsetzt oder gar 
— wie selbst der Oberhofprediger Mirus — ins Gefängniß, auf den 
Königstein geschickt! Wie viele Unruhen und Streitigkeiten verur- 
sachte die Aufhebung des Exorcismus oder des Teufelsaustreibens 
bei der Taufe, worauf damals die Eltern der Täuflinge noch fest 
hielten! Wie viele andere Neuerungen führte der Allesvermögende 
ein, die das Mißvergnügen des Volkes bedenklich steigerten! Doch 
Christian regierte nur fünf Jahre: er starb am 25. September 
4591 im ein und dreißigsten Jahre seines Lebens, und nun war 
auch plötzlich das Regiment des Premierministers zu Ende. 
30. October. 
Zwei Orenen aus dem Gruderkriege. 
— Da vorgestern, den 28. October, nicht Gelegenheit war, die 
Aussöhnung der feindlichen Brüder Friedrich und Wilhelm zu er- 
wähnen, so möge es heute noch nachträglich geschehen. Am 28. 
October 1450 nemlich kamen die Brüder, welche durch ihren unseli-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.