Full text: Tägliche Erinnerungen aus der sächsischen Geschichte.

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Noch acht Tage lang wurde ihm nun in kleinern Versammlungen 
auf jede ersinnliche Weise zugeredet, er solle den Wideruf leisten; 
aber umsonst. Auch dem Kaiser ward zugeredet, er solle, wie einst 
Sigismund, das Geleit brechen; aber er that es nicht, versprach im 
Gegentheil abermals ein und zwanzig Tage zur freien Rückreise. 
Und so endete denn am 26. April der glorreiche Aufenthalt des gro- 
ßen Reformators in Worms, und er trat am letztern Tage, aber- 
mals unter dem Geleite eines kaiserlichen Herolds, seine Rückreise 
an, von welcher wir-zum 4. Mai weiter hören werden. 
17. April. 
Georg der Bärtige ktirbt. 
Von dem höchst wichtigen Färsten, der zur Zeit Luther's im 
Albertinischen-- Sachsen regierte, von Herzog Georg dem Bär- 
tigen, wollen wir heute Einiges hören. — Er wurde 1471 geboren 
und von seiner; Mutter Sidonia sehr sorgfältig erzogen. Nachmals 
besuchte er die Universität zu Leipzig und verrieth schon da die große 
Vorliebe für die Wissenschaften, die ihm sein ganzes Leben hindurch 
eigen blieb. Merkwürdig ist seine Hochzeit, die, weil in Dresden die 
Pest herrschte, in Leipzig gefeiert wurde, sechs Tage hindurch dauerte 
und dreizehnhundert Eimer Wein, vierhundert vier und vierzig Faß 
Bier kostete. Nach des Vater- Albrecht's Tode übernahm Georg die 
Regierung des Herzogthums, indem er seinem Bruder Heinrich die 
Aemter Freiberg und Wolkenstein und jährlich dreizehntausend Gül- 
den nebst zwölf Fudern Wein abtrat. In seiner langen Regierungszeit 
zeigte er sich überall als gerechter, väterlich sorgender Furst, 
der sogar die Bitten seiner Unterthanen gern selbst hörte und ent- 
schiedz als zärtlicher Gatte, der sich nach dem Tode seiner innig ge- 
liebten Barbara huonr. zum Zeichen der Trauer den Bart nicht mehr 
abnehmen ließ; a als eifriger Beschützer der Wissenschaften und der 
Universität Ehziane als vorzüglicher Verschönerer von Dresden — 
wo er das Residenzschloß baute — von Annaberg und andern 
Städten. Nur in Sachen der Religion ging er nicht allein beharr- 
lich fort auf dem alten Wege, sondern verfuhr auch mit einer Härre, 
die. vielfältig getabelt. worden ist. Georg war ein frommer Mannz 
er war höchst einsschtsvoll und kannte die Gebrechen der Kirche ge- 
nauz er war von dem Wunsche beseelt, daß das ärgerliche Leben 
der Geistlichen und die Mißbräuche in kirchlichen Sachen abgestellt 
werden möchten —: und doch mochte er von Luther's Reformation 
nichts wissen, verfolgte Alle, die der neuen Lehre nur im Mindesten
	        
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