Full text: Tägliche Erinnerungen aus der sächsischen Geschichte.

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gelassen; er hatte sein Heer späterhin noch in lauter kleine Massen 
zertheilt, diese hierhin und dahin geschickr und nur zehntausend Mann 
noch um sich behalten; er hatte nicht daran gedacht, daß der Kaiser 
ihm nachfolgen, ihn in Sachsen selbst angreifen könne; ja, als dies 
doch gar bald geschah und seine wenigen redlichen Freunde es ihm 
meldeten, glaubte er es nicht: er vermuthete den Kaiser noch in Bai- 
ern, da er schon in Leisnig und Oschatz war. Wie konnte da der 
Ausgang des Schmalkaldischen Krieges anders als unheilvoll sein! Es 
war der Sonntag Misericordias domini, und Jöhann Friedrich, die- 
ser fromme Fürst, war in der Kirche zu Mühlberg. Da erfuhr er, 
daß die Spanier und des Herzogs Moritz Truppen schon am jenseiti- 
gen Elbufer angekommen seien. Er ließ nun erst die Schiffbrücke 
abbrennen, schickte das Fußvolk voraus nach Wittenberg hin, wohin 
er sich felbst auch zurückziehen wollte, und stellte sich einstweilen mit 
der Reiterei am Ufer auf, um die Kaiserlichen vom Uebergange über 
die Elbe abzuhalten. Allein die Feinde fanden durch Verrath des 
Müllers Barthel Strauchmann eine Furt in der Elbe, wo man 
durchreiten konnte, und so ging an einem andern Orte, als da, wo 
sich es der Kurfürst gedacht hatte, die ganze feindliche Reiterei über den 
Fluß, und Johann Friedrich mußte eiligst seinem. vorangegangenen 
Fußvolke nachzukommen trachten. Der Feind aber folgte ihm auf 
dem Fuße und erreichte ihn etwa drei Stunden von Mühlberg auf 
der Lochauer Haide. Oort mußten die Sachsen halten und sich auf- 
stellen und wurden sogleich von Moriß mit schwerer Reiterei ange- 
griffen. Es war kein Plan und keine Ordnung beim Heere der 
Sachsen; sie waren drei Mal schwächer als die Gegnerz das schwere 
Geschüt, welches voraus war, fehlte ganz; das Fußvolé feuerte eher, 
als die angreifenden Reiter die Schußweite erreicht hatten; Viele 
ergriffen allzuzeitig und ganz voreilig die Flucht. Kurz, es mußte 
überall Unglück kommen. Die Schwerbewaffneten des Herzogs Mo- 
rib hieben tausend siebenhundert tapfere Fußsoldaten der Sachsen 
nieder und jagten dem übrigen Heere panisches Schrecken ein. Alles 
verließ den Kurfürsten: überall wilde Flucht nach verschiedenen Gegen- 
den hin: Der Kurfürst selbst war von Spaniern, Böhmen, Ungarn 
und Sachsen umringt, vertheidigte sich mit wenig Getreuen aufs 
heldenmüthigste, blutete schon aus einer Hals= und Backenwunde, 
war aber endlich gezwungen, sich an Thilo von Trotta zu ergeben. 
— Welch' eine Zeit der Demüthigung und Prüfung begann nun für 
den unglücklichen Fürsten!" Was mochte er empfinden, als ihn der 
Kaiser mit den schnöden Worten empfing: „Bin ich nun Euer gnaͤ- 
diger Kaiser? Ihr sollt ein Gefaͤngniß bekommen, wie Ihr es verdient.“
	        
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