Gesetzgebung 343
III. Verhältnis zur Reichsgesetzgebung. Innerhalb seiner
Zuständigkeit (RVerf. Art. 4, RGes. vom 3. März 1873 S. 47 und
20. Dez. 1873 S. 379) übt das Reich die Gesetzgebung mit der
Wirkung, daß die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen, jedoch
können einzelstaatliche Bestimmungen über Gegenstände, die zur Zu—
ständigkeit der Reichsgesetzgebung gehören, so lange abgeändert werden,
als eine bindende Narm von Reichs wegen noch nicht ergangen ist
(RVerf. Art. 2, RSchlußprotokoll vom 23. Nov. 1870 Pkt. Vl, RGBl.
1871 S. 23). Das Steuerbewilligungsrecht der Stände und die damit
zusammenhängenden Befugnisse unterliegen den sich aus der Reichs-
verfassung mit Rücksicht auf die Matrikularbeiträge und den Reichs-
haushalt ergebenden Beschränkungen (Vl. 88§ 89, 97, Ges. vom 3. Dez.
1868 S. 1365 Pt. IV). Die Bekanntmachung der Reichsgesetze er-
folgt durch das „Reichsgesetzblatt“, früher „Gesetzblatt für den Nord-
deutschen Bund“. Das Halten des Blattes ist für die Gemeinden
vorgeschrieben. Uber Bekanntmachung und Inkrafttreten gelten im
wesentlichen die oben unter II aufgeführten Bestimmungen (MVerf. Art. 2,
RWV. vom 26. Juli 1867 S. 24, Ges. vom 10. Dez. 1867 S. 571).
IV. Sonstiges. 1. Verordnungsgewalt. Auedrückliche Be-
stimmungen über die Grenzen der Verordnungsgewalt enthält das sächs.
Recht nicht (s. auch Polizeigewalt). Um bindende Kraft zu erlangen,
bedürfen BO. der Ainisterien der Bekanntmachung im Gl.; andern-
falls sind sie nur Dienstanweisungen“ (O. 12. Febr. 1902 1 8 249).
* Vom Bundesrat beschlossene Berwaltungsvorschriften zur Ausführung
von Bes. (RVerf. Art. 72) sind nicht bloße Verwaltungs= und Dienstbefehle,
sondern Ausführungsbestimmungen zu Art. 4 der WVerf., also für das
Publikum auch ohne Bekanntmachung im „Rrl. gültig. Verwaltungsvor-
schriften dieser Art sind die Betriebs= und die Verkehrsordnung für die Eisen-
bahnen, die Postordnung, Telegraphenordnung, die Ein= und Ausfuhrverbote usw.
(Arndt, Preuß. Jahrb. CIV 323, Verwaltungsarchiv XVI 192, Jur.-Ztg. VI 230,
Götz in den Jahrb. für Württ. Rechtspflege XIII 122; dagegen Laband und Otto
Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht 1 122, 126). Rechtsnorm und Verwaltungs-
vorschrift sind keine Gegensätze, da auch in den Gesetzen und Rechtsverordnungen
Dienstanweisungen vorkommen, die trotzdem Rechtsnormen sind. Die Verkündi-
Lun im RBl. ist nur für Res. vorgeschrieben (Reichsger. 26. März 1901, PVB.
XIII 553, Reger XXII 105). Zur Gültigkeit einer Polizeiverordnung genügt
der Hinweis auf das Ges., das den Erlaß der VO. vorsieht (Reichsger. 30. Sept.
1901, Preuß. Ministerium 11. Dez. 1901, Reger XXII 34, 332, Fischer XXIV
220, SWB. 1902 S. 223), während nach dem Rammerger. auf die Zustimmung
des Reichstags, Bundesrats, die Zustimmung oder das Gehör der Berufs-
genossenschaften usw. ausdrüchlich Bezug genommen werden muß (Entsch. vom
17. Dez. 1900, 25. Nov. 1901, 14. Juli 1902, Reger XXI 131, I1 332, XXIII
49, Fischer XXIII 167). «
2. Geltungsgebiet. Ob ortsgesetzliche Bestimmungen ohne
weiteres neu hinzugekommene Gebietsteile“ ergreifen, sowie über den
Einfluß von Bezirksveränderungen überhaupt, s. Gemeindebezirke.
S. auch unten 3.
“auch für Landesges. ist es bestritten (Reichsger. 24. Jan. 1901, Reger
XXII 125). ¾ 7