348 Gesundheitspolizei
verzüglich anzuzeigen. Anzeigepflichtig sind in folgender Ordnung der
zugezogene Arzt, der Anstaltsvorsteher, der Haushaltungsvorstand,
Pfleger, Wohn- oder Hauswirt, Leichenbeschauer (88 1—5). Die
Polizeibehörde hat den Fall sofort dem Bezirksarzte mitzuteilen, der
an Ort und Stelle unverzüglich die nötigen Ermittlungen anzustellen
hat. Auf Grund seines Gutachtens hat die Polizeibehörde festzustellen,
ob der Verdacht des Ausbruchs begründet ist, und die erforderlichen
Waßregeln zu treffen (§88 6—10). Sie bestehen in Beobachtung und
Absonderung des Erkrankten, Fernhalten der Jugend vom Schulbesuch,
Beschränkung der Benutzung von Brunnen, Wasserleitungen, Bade-
anstalten usw., der Räumung und Desinfektion der Wohnräume, event.
der Einführung der Leichenschau. Die höhere Verwaltungsbehörde
kann für Zureisende die allgemeine Mleldepflicht einführen, die Landes-
behörde die Uberwachung der gewerbsmäßigen Herstellung und Auf-
bewahrung aller zur Verbreitung der Krankheit geeigneten Gegen-
stände, sowie die Uberwachung der Transportbetriebe anordnen, die
Abhaltung von Mlärkten und größeren Versammlungen untersagen; der
Bundesrat kann Vorschriften über die Ausstellung von Gesundheitspässen
beschließen (§§ 11—27). Für entgangenen Verdienst, der invaliden-
versicherungspflichtigen Personen durch die angeordneten Aufenthalts-
beschränkungen erwächst, sowie für Beschädigung von Gegenständen
durch die Desinfektion ist Entschädigung aus öffentlichen Mitteln zu
gewähren (88 28—34). Die Einrichtungen für Wasserbeschaffung und
Beseitigung der Abfallstoffe sind durch den Bezirksarzt fortlaufend zu
überwachen (§ 35). Zuwiderhandlungen gegen das Ges. werden in
den Fällen von §8 45, 46 mit Ubertretungsstrafe, in den Fällen von
§ 44 mit Gefängnis bis zu 3 Jahren bestraft. Die Sächs. A#.
vom 12. Dez. 1900 S. 967 enthält die Vorschriften über die zuständigen
Behörden, die Organisation des Meldewesens, die weiteren Bestim-
mungen über die Entschädigungspflicht, die Anzeigepflicht bei Pocken,
die Maßregeln bei Pestgefahr und die Vorschriften zur Bekämpfung
von Ungeziefer (s. d.). Beigefügt sind S. 972 die Bundesratsgrund-
sätze für die Bekämpfung der Pest. Weiter ist angeordnet, daß die
bakteriologische Untersuchung zur Feststellung der Krankheit von den
Arzten, soweit ihnen nicht die in Dresden, Leipzig und Chemnitz vor-
handenen Untersuchungseinrichtungen kostenfrei zur Verfügung stehen,
bei der Zentralstelle für öffentliche Gesundheitspflege in Dresden zu
beantragen ist (MWO. vom 4. Okt. 1902, SWB. 227). Zur Meldung
gemäß § 2 des Bes. können unfrankierte Postkarten verwendet
werden (MVO. vom 6. Sept. 1902, SWB. 204). Die Miilitär= und
bürgerlichen Behörden haben sich gegenseitig vom Ausbruch gemein-
gefährlicher Krankheiten zu benachrichtigen (R. Bek. vom 22. Juli 1902
S. 257). Zur Bekämpfung der Cholera war schon früher eine inter-
nationale Ubereinkunft getroffen worden (Rönl. 1894 S. 343, BBek.
vom 14. Dez. 1895 S. 461). Uber die Impfung der Pocken s. Impfwesen.