Sittenpolizei 223
Sittenpolizei. J. Polizeiliches. Das Recht der Polizeibehörden,
Anordnungen zum Schutz der allgemeinen Sittlichkeit zu treffen, unter-
liegt nur den durch ausdrückliche Gesetzesvorschriften getroffenen Be-
schränkungen (s. Polizeigewalt D). Insbes. sind sie berechtigt,
1. unsittlichen Verkehr zwischen Personen verschiedenen
Geschlechts zu verbieten, sobald er öffentliches Argernis erregt und
hierdurch die gute Ordnung des Gemeinwesens stört (s. Konkubinate).
Aur in den Fällen von § 3616 des Sto#. (Ubertretung der Pro-
stitutionsregulative) ist Polizeiverfügung mit Rüchsicht auf § 2 des Ein-
führungsges. zum StB. ausgeschlossen (O. 5. Vov. 1902 1 8240,
s. Polizeigewalt 1 2). Dagegen sind die Polizeibehörden nicht behindert,
im Wege der Polizeiverordnung (s. Polizeigewalt II) unter Strafandrohung
gesundheits= und sittenpolizeiliche Maßregeln zur Uberwachung von
Personen zu treffen, die in dem Verdachte stehen, gewerbsmäßige Un-
zucht zu betreiben oder zu befördern (VO. vom 1. Okt. 1868 S. 903
Ziff. XVI, MWVO. vom 21. Aug. 1893, Fischer XV 115).7
*Der verfassungsmäßige Schutz des Eigentums steht dem Erlaß sitten-
polizeilicher Kontrollvorschriften nicht entgegen (Preuß. O#. 8. Vov. 1901,
PVW. XXIII 631). Selbst das Wohnen im Hause des eigenen çMannes khann
der Prostituierten untersagt werden (Preuß. O. 25. April 1902, P.
XXIV 101). Infolge des Werck. vom 25. Juni 1900 sind die Polizeibehörden
ermächtigt, auch gesen Zuhälter zwangsweise vorzugehen (Preuß. OV. 25. Febr.
1902, Jur.-Ztg. VII 348).
2. Theater= und Preßpolizei. Sittengefährdenden Theater-
aufführungen ist im Wege der Theaterzensur zu begegnen (s. Schau-
spiel U). Unsittliche Darbietungen der Presse unterliegen der vorläufigen
Beschlagnahme (ReEes. vom 7. Mai 1874 S. 65 8 23 8), Leihbiblio-
theken und Vorräte der Kolporteure periodischen Revisionen (s. Presse II.
Zur Uberwachung des Wandergewerbes dient das Druckhschriftenver-
zeichnis (s. Presse 1 5).
* ;eben dem richterlichen Vorgehen auf Grund von §#§# 41, 42 des
StGSB., 88 24, 28 des Preßges. und neben dem polizeilichen Vorgehen auf
Grund von 8§§ 14, 15, 23, 30 des Preßges. ist es unzulässig, gegen die Aus-
stellung von Bildwerken und sonstigen Preger eugnissen aus sittenpolizeilichen
Eründen präventiv einzuschreiten (Preuß. S. 3. Okt. 1901, Reger XXII 262,
XXIII 158).
3. Zuständigkeit der Gemeindeorgane. Die S. gehört zu den
den Gemeindevorständen, Gutsvorstehern und Bürgermeistern kl. St.
überwiesenen Geschäften (Kl. St O. Art. IV § 12 d, RLGO. S§ 74 d, 84).
Die Amtsh. ist nicht berechtigt, auf Grund ihrer Aufsichtsgewalt einen
Teil dieser Geschäfte nach ihrem Gutdünken der Zuständigkeit der
Gemeindeorgane zu entziehen und zur eignen Ausübung an sich zu
ziehen (OVG. 31. Jan. 1903 1 8 335). Verfügungen wegen Kon-
Kubinats (s. d.) haben daher stets von den Gemeindeorganen auszugehen.
II. Verbote, Verfahren. Die Verbrechen und Vergehen gegen
die Sittlichkeit behandelt StchB. §5S 171—184b“ in der Fassung des
RGes. vom 25. Juni 1900 S. 301. Die richterliche Einziehung des