Strafanstalten 281
(VO. vom 19. Dez. 1870 S. 408, rev. StG B. vom 1. Okt. 1868 S. 909
Art. 22). Zuchthaus und Gefängnis können ganz und teilweise in
Einzelhaft (s. d.) vollzogen werden. Die zu längerer Zuchthaus= oder
Gefängnisstrafe Verurteilten können, wenn sie ?/1, mindestens aber
1 Jahr, ihrer Strafe verbüßt und sich während dieser Zeit gut geführt
haben, vom Justizministerium mit ihrer Zustimmung vorläufig entlassen
werden. Ist die Strafzeit abgeclaufen, ohne daß von dem Widerrufs-
rechte Gebrauch gemacht wurde, so gilt die Freiheitsstrafe für verbüßt.
Der geschäftliche Berkehr mit den Landesanstalten in bezug auf be-
urlaubte Sträflinge gehört für Städte kl. St.O. und das platte Land
vor die Amtsh. Uber die einstweilige Festnahme vorläufig Entlassener
aus dringenden Gründen des öffentlichen Wohls beschließt die Polizei-
behörde. Wegen ctwaiger Wiedereinziehung hat sie der Strafvoll-
streckungsbehörde behufs Berichterstattung an das Justizministerium
MAlitteilung zu machen. Die frühere Form der Beurlaubung (,.auf
königl. Gnadenentschließung“) besteht neben der vorgedachten vor-
läufigen Entlassung („Beurlaubung auf Ministerialentschließung") noch
fort (StS B. §§ 23—26, Gesch. O. § 775, BO. vom 19. Dez. 1870
S. 408 § 8 und 22. Aug. 1874 S. 125 § 42, M VO. vom 20. April
1871, Hausordnung vom 2. Mai 1883, MVO. vom 5. Aug. 1862,
Funke VI 141, 145). Versuchsweise ist, namentlich für jugendliche Ver-
brecher, der bedingte Strafaufschub (bedingte Begnadigung, s. Straf-
aufschub) eingeführt. Uber ihren Arbeitserwerb können die Gefangenen,
soweit nicht in der Hausordnung hierüber Bestimmung getroffen ist,
nur mit Genehmigung der Anstaltsdirektion, nach der Strafzeit aber
erst, wenn der Verdienst ausgezahlt ist, verfügen (Ges. vom 12. April
1861 S. 56, Hausordnung §8 8, 56). Der Verpflegbeitrag wird vom
Ministerium des Innern bestimmt und beträgt gegenwärtig 288 Ml.
(MVO. vom 24. Sept. 1879, Jls. 203 § 23, VO. vom 22. Febr.
1893 S. 70). Die Einziehung erfolgt nach den Grundsätzen über die
Zwangsvollstreckung (s. d. I) in Verwaltungssachen (s. Landesanstalten).
Für den Unterhalt von Frau und Kindern haftet das Vermögen des
Mannes nicht mehr (Ges. vom 18. Juni 1898 S. 191 § 53). Uber
die Unfallfürsorge für Gefangene s. Unfallversicherung D. — Die
Entlassung (Hausordnung 88 57 ff. mit Nachtrag vom 21. Sept.
1885, SWB. 213) erfolgt in der Regel, auch wenn damit die Aus-
weisung (s. d. C IIl) zu verbinden ist, mittels Zwangspaß, nicht durch
Schubtransport (VO. vom 13. Okt. 1874 S. 419 § 1e, g, Schluß-
satz), und zwar durch die Anstaltsdirektion unmittelbar (MVO. vom
27. Okt. 1881, SWB. 237, Fischer III 63). Beim Herannahen der
Entlassung hat die Anstaltsdirektion, wenn Zulässigkeit von Polizei-
aufsicht erkannt ist, die Kreish. hiervon zu benachrichtigen. Ist zugleich
auf Uberweisung an die Landespolizeibehörde erkannt, so erfolgt zu-
nächst die Einlieferung in die Korrektionsanstalt (s. Polizeiaufsicht).
Reichsausländer sind stets, nichtsächsische Reichsangehörige dann aus-