380 Verwaltungsstreitsachen
g) 8 75 Abs. 2 leidet auch Anwendung, wenn Beschwerde voraus—
gegangen, aber erst nach Ablauf der Rekursfrist eingegangen (s. Be—
schwerde) oder wenn die Rechtfertigung des Rekurses innerhalb der
durch GO. 8 201 vorgeschriebenen Frist nicht erfolgt ist (s. Gewerbe-
behörden 3, 1). Die formelle Rechtskraft einer Verfügung hindert ihre
Prüfung dann nicht, wenn eine spätere, rechtzeitig angefochtene
Entscheidung auf ihr beruht (OV. 16. Okt. 1901 I S 136, 29. Okt.
1902 1 S 274, 22. Nov. 1902 1 S8 277 und 26. Aov. 1902 1 S 299,
Jahrb. 1 212).
h) Zu § 76: Infolge dieser Vorschrift ist die Anfechtungsklage
in Ermessungsfragen nur insoweit möglich, als die Verwaltungs-
behörde durch Rechtsbestimmungen in ihren Entschließungen gebunden ist.
Inwieweit das in Bausachen zutrifft, s. Bauwesen 1 2. Aicht Ermessungs-
frage ist es, ob der Inhalt eines Theaterstücks sittlich anstößig ist und
daher unter den Tatbestand einer örtlichen Regelung der Theaterzensur
fällt (OV. 16. Alärz 1901 1 8 17, Jahrb. 1 26), ob ein Polizeiverbot
sich innerhalb der zulässigen Grenzen der Polizeigewalt (s. d. 0 gehalten
hat, ob Berufsmäßigkeit eines Gemeindebeamten (s. d. 1 2) oder wesent-
liche Wegeabnutzung im Sinne von 8 17 des Wegebauges. vorliegt
(s. Straßenbau B II 4). Frage des Ermessens ist dagegen die Art und
Höhe von Disziplinarstrafen (s. Disziplinargewalt l), die Nachsichts-
erteilung bei Grundstücksteilungen (s. d.), die Verhältnismäßigkeit des
Beitrags zu Gemeindeleistungen (s. d. VIII 3), die Zwechmäßigkeit einer
Polizeiverordnung oder Polizeiverfügung zur Erhaltung der öffentlichen
Ordnung (s. Polizeigewalt 1 3, 10, die Bestätigung von Gemeinde-
beamten (s. d. Il), die Anwendung der Verbrauchsbesteuerung (s. d.) beim
Vorhandensein ihrer rechtlichen Voraussetzungen, die Frage, ob einem
Gemeindebeamten (s. d. 3) gegenüber mit Recht von der vereinbarten
Kündigung Gebrauch gemacht worden ist, ob der Zustand eines Weges
den Anforderungen des Verkehrs (s. Straßenbau C 1) und ob der Platz
für ein Krankenhaus den gesundheitspolizeilichen Anforderungen ent-
spricht (s. Krankenanstalten IIl) usw. Ist die Verfügung einer Ver-
waltungsbehörde gesetzlich an das Vorhandensein eines Bedürfnisses
geknüpft, so ist die Bedürfnisfrage zwar in tatsächlicher Hinsicht der
Nachprüfung des O#6. entzogen, nicht aber die Frage, ob die Ver-
waltungsbehörde den Begriff des Bedürfnisses richtig aufgefaßt hat
(OV#. 25. Okt. 1902 1 S 226, Jahrb. III 199).“
Diie Angemessenheit und Zwechkmäßigkeit einer Verwaltungsverfügung
unterliegt der Nachprüfung dahin, ob die äußersten Grenzen polizeilichen Er-
messens überschritten sind und die Anordnung als geradezu zweck= und sach-
widrig, also willkürlich und daher rechtswidrig erscheint (Preuß. OV. 29. Nov.
1901, P. XXIV 69).
II. Berwaltungsgerichte sind die Kreish. und das O#.
(§ 2). Die Kreish. ghpenen in der kollegialen Zusammensetzung
des Organisationsges. ( , sind verpflichtet, die Aufträge des O.