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völkerrechtlich todt. Nun hat zwar Baiern sich vorbehalten, noch seine
eigenen Gesandten im Auslande zu haben, und es ist nicht gesagt, daß
Würtemberg keine Gesandten daselbst haben könne; aber das Gegentheil
ist auch nicht gesagt. Man könnte möglicherweise so sprechen: „Da der
Kaiser die völkerrechtliche Vertretung hat, so könnet Ihr sie nicht auch
haben.“ Ich will annehmen, daß es nicht so gemeint sei; aber, meine
Herren, die Vertretung der Einzelstaaten würde jedenfalls keine politische
Vertretung von Bedeutung sein können, da die völkerrechtliche Vertretung
des Bundes verfassungsmäßig in der Hand des Kaisers ist. Nun, meine
Herren, weiß ich wohl, daß es Mitglieder in dieser hohen Kammer
giebt, welche der Ansicht sind, es sei ein großer Vortheil, daß die
Vertretung der Einzelstaaten an den Kaiser übergehe, da die kaiser-
lichen Gesandten mit mehr Gewicht auftreten werden. Es ist zuzu-
geben, daß ein großer Körper mit mehr Macht auftritt als ein kleiner Staat.
Aber, meine Herren, was wenigstens die Vertretung der Angehörigen der
einzelnen Staaten betrifft, so ist es mir sehr zweifelhaft, ob dieselben nicht
da, wo ihre Staaten bioher Gesandte hatten, bis jetzt besser vertreten waren,
als sie es vielleicht künftig durch kaiserliche Gesaudte sein könnten; denn ein
Gesandter, der eine so große Masse von Augehörigen der Nation zu ver-
treten hat, kam sich unmöglich so speziell seinen Landsleuten widmen, wie
es bisher ron den Gesandten der Einzelstaaten mit bestem Erfolge geschehen
ist. Dem mchte übrigens, was die Sorge für die einzelnen Bundesange-
börigen betrifft, sein wie ihm wolle, so ist soviel jedenfalls gewiß, daß die
volkerrechtliche Vertretung der Südstaaten durch den Kaiser diese Staaten
in ihren äußeren Lebensfunktionen mediatisirt. Ich möchte aber, meine
Herren, zur Mediatisirungsfrage mir ein für allemal eine Bemerkung er-
lauben. Man hat im Norddeutschen Reichstage gesagt: es sei wahr, die
süddeutschen Staaten werden mediatisirt und sie müssen es werden, aber sie
werden herrlich auferstchen im Deutschen Reiche. Ja, meine Herren, berrlich
auferstehen r#ird der König von Preußen als Kaiser und das preußische Volk
als das herrschende, aber die übrigen, namentlich die süddeutschen Fürsten
und Volksstämme werden nicht herrlich, sie werden als Vasallen und Hinter-
saßen vron Vasallen auferstehen und ihre seitherige Bedeutung verlieren;
nicht nur die Fürsten, sondern auch die Länder werden ihre Bedeutung ver-
lieren. Das, meine Herren, ergiebt sich in einem Bunde, welcher aus einer
so überwiegenden Großmacht und aus kleineren Staaten besteht, die alle
miteinander nur zwei Fünftel des Ganzen betragen, allerdings schon aus
dem Mißrerhältnisse der Kräfte, welche in einem solchen Bunde unnatürlicher-
weise vereinigt werden. Schon aus diesem Ueberwuchern der Macht und
Stimmenzahl des großen Theilhabers erfolgt eine Mediatisirung. Vollendet
aber wird diese Mediatisirung durch die bedungenen verfassungsmäßigen Vor-
rechte des großen Staates, welche zur Folge haben, daß die Fürsten und die
Volksstämme der übrigen Bundesstaaten die Unterthanen des Kaisers und