Friedrich I., Barbarossa. 1152—1190. Böhepunkt der Stauferzeit. 9§ 154—155. 107
aller Gewalt, er war der oberste Kriegsherr und erste Richter für alle Stämme,
und die Fürsten unter ihm, obwohl erblich, waren doch seine Vassallen. Auch
war an die Stelle der Roheit und Verwilderung des 11. Jahrhunderts unter
der Einwirkung der fittlich erstarkten Kirche ein edlerer Sinn getreten, der
sich wieder großen, allgemeinen Zielen willig hingab. Ein thatkräftiger Kaiser
konnte also, indem er die bereits bestehenden Rechte der Fürsten willig an-
erkannte, auch ihre Pflichten gegen das Reichsoberhaupt um so eher betonen
und so alle Gewalt in fester Hand zusammenfassen. Feiedrich war entschlossen,
so zu handeln. Und das Glück begünstigte ihn. hrend er den Welfen
auf alle Weise entgegen kam, die Zähringer den Staufern versöhnte, konnte
er schon auf seinem ersten Reichstage zu Verschurg, als Schiedsrichter in
dem dänischen Thronstreite auftreten und durch die Belehnung Svends mit
der Krone Dänemarks einen Einfluß in den nordischen Staaten gewinnen,
wie ihn lange kein deutscher Herrscher besessen. Noch hielt sich der Böhmen-
herzog fern, aber durch Verleihung der Königskrone — schon Heinrich IV.
hatte dasselbe gethan (6 141) — Hsseele Friedrich Böhmens Herrscher bald
eng an seine und Deutschlands Interessen. Und auch Burgund trat unter
ihm dem Reiche wieder näher, weil die zweite Gemahlin Friedrichs, Bea-
trix, hier reich begütert war. So waren schon seine ersten Regierungs-
jahre vielversprechend, und nicht lange währte es, da war Friedrich der
Herrscher, vor dem sich als dem Ersten ohne Widerstand die Fürsten Europas
neigten.
" 155. Aber Friedrich ward in seiner Seele von der Würde und der Hoheit
des Kaisertums vor allem angezogen, und sein Ziel war deshalb nicht
bloß die Ordnung Deutschlands, sondern Rom und Stalien. Freilich, als
er 1154 zum ersten Male mit einem Heer die Alpen überschritt, fand er
in Italien andere Verhältnisse, als seine Vorgänger. Nicht bloß waren die
Normannen in Italien unter ihrem Könige völlig unabhängig vom Reiche;
sondern auch in Norditalien hatten sich die Städte zu selbständigen, mäch-
tigen Gemeinwesen entwickelt, die zum Gehorsam gegen einen fremden
Herrscher nicht sehr geneigt waren. In früherer Zeit hatten sie meist unter
bischöflicher Herrschaft gestanden: aber allmählich, besonders in den Zeiten
der Kirchenstreitigkeiten und zwiespältigen Papstwahlen, hatten sie das Recht
gewonnen, sich ihre Burgemeister (Konsuln), ihren Rat und ihre Schöffen
selbst zu wählen, dem Kaiser noch besondere Hoheitsrechte einzuräumen, waren
sie wenig willens. Aber noch ein anderer Umstand bewegte gerade damals
Italien. Ein begeisterter Kleriker, Arnold von Brescia, hatte gegen den
weltlichen Besitz der Kirche gepredigt und hatte den Italienern, besonders
den Römern, mit dem Ruhme der alten römischen Republik und mit dem
Traume ihrer Wiederherstellung geschmeichelt. Zuletzt war er in Rom selbst
zu höchster Macht gekommen, und das empörte Volk hatte den Papst Ha-
drian IV. zur Flucht genötigt. Das war die Lage Staliens, als Friedrich
in der Lombardei erschien. Auf den roncalischen Feldern (§ 145) hielt
er seine Heeresmusterung, und hier hatten nach alter Sitte die deutschen
Herzöge und Fürsten die erste Nacht um sein Zelt die Ehrenwache. — In
die verwirrten Angelegenheiten der lombardischen Städte, von denen einige
zu ihm standen, andere wie das stolze Mailand ihm widerstrebten, griff er
diesmal noch nicht tief ein; nur Chieri, Asti, und Tortona erfuhren die strenge
Hand des Herrschers. Auf dem Marsche nach Rom bei Sutri traf Friedrich
mit dem Papste, dem er bei der Begegnung wie einst Lothar den Steig-
bügel hielt, zusammen, und beide zogen nun gegen Rom. Für Geld wollten