Erste Entsetzungsversuche durch die französischen Heere. 95 774—776. 4J9
um in Frankreich die Sache der Freiheit zu verteidigen. Ihm trat ein
Corps gegenüber, das zuerst im Elsaß nach dem Falle von Straßburg unter
Werders Oberbefehle aus der badischen Division und aus verschiedenen
norddeutschen Linien= und Reserveregimentern gebildet war, während eine
neu zusammengesetzte Reserve-Division unter General v. Schmeling sich zur
Belagerung von Schlettstadt, und nach dessen Fall am 24. Oktober gegen
Neubreisach wandte. Werder, dem außer der Division Schmeling noch
die Reserve-Division Tresckow unterstellt ward, erhielt bald auf diesem Schau-
platze, dem alten Burgund, genug zu thun. Er hatte ohnehin die starke
Festung Belfort, welche die Pässe zum Elsaß beherrscht, belagern zu lassen,
ging aber dann mit seinen, ihm zur Verfügung bleibenden Truppen weiter
gegen Süden bis nach Dijon vor, schlug Garibaldis Truppen bei Pasques
am 26. und 27. November und trieb ihn bis Autun zurück.
§ 775. Man kannte deutscherseits nicht genau die Stärke dieser Heere;
man wußte auch nicht, von wo der Hauptangriff beginnen würde; doch schien
die Westseite von Paris am meisten ausgesetzt, da bekannt war, daß von
Osten her die deutsche Verstärkung nahete. General v. d. Tann war an-
gewiesen worden, Orléans so lange als möglich zu halten, bis sich die
Pläne des Feindes enthüllten. Und von dieser Seite her begann der An-
drang: am 8. November erhielt v. d. Tann in Orléans durch seine Kavallerie
Meldung von dem Vormarsch bedeutender feindlicher Massen auf Coulmiers.
Um nicht von Paris abgedrängt zu werden, zog er noch in der Nacht sein
Corps auf Coulmiers zurück, bestand hier am 9. Nov. einen 7 stündigen,
heftigen Kampf, während dessen er Orléans räumte, und nahm dann auf der
Straße von Orléans nach Paris Aufstellung. Zu seiner Unterstützung wurden
schnell alle Truppen, die verfügbar waren, gesandt und die so gebildete Armee
bis zur Ankunft des Prinzen Friedrich Karl unter den Oberbefeh des Groß-
herzo g Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin gestellt. Dieselbe über-
nahm den Schutz gegen Süden und Westen. Die Kämpfe, welche die Armee bei
Dreux und Chateauneuf am 17. und 18. Nov. zu bestehen hatte, zeigten,
wie nahe sich der Feind von dieser Seite an Paris herangewagt habe, aber
auch, da er überall gewichen, daß der entscheidende Angriff nicht hier, son-
dern von der Loirearmee erfolgen werde. Die Aufgabe aber, dieses Heer
zu bekämpfen, konnte bei seiner Stärke der Armee des Großherzogs nicht
allein zufallen; es war vor allem die Aufgabe der heraneilenden II. Armee
unter Prinz Friedrich Karl, dessen Vortrab bereits auf der Straße nach
Orléans agelangt war und der nunmehr auch den Oberbefehl über die
Truppen des Großherzogs mit übernahm.
§ 776. Prinz Friedrich Karl führte im ganzen etwa 60000 Mann heran
gegen eine Armee, die 150000 Mann zählte und unter einem der verhältnis-
mäßig tüchtigsten der republikanischen Führer stand. Dieser, d’'Aurelle
de Paladims, hatte aber seiner no wenig eübten Armee nur eine
Defensivstellung zu geben gewagt, nördlich von Orléans, wo der Wald von
Orléans eine natürliche Befestigung bildete und der schwere, zähe Boden
der Bearce bei feuchtem Winterwetter dem Vorrücken einer Armee fast
unüberwindliche Schwierigkeiten in den Weg legte. Um so mehr aber war
der Entschluß, anzugreifen, für Prinz Friedrich Karl ein Werk des kühnsten
Mutes. Er zog die Truppen des Großherzogs, etwa 45000 Mann,
welche bisher in ermüdenden Märschen den Feind gegen Westen hin ver-
folgt und aufgesucht, an seinen rechten Flügel heran und begann so seinen
konzentrischen Vormarsch auf Orléans. Daß jetzt auch die Lotrearmee nach