480 Erste Entsetzungoversuche durch die französischen Herre. 88 776—778.
Norden sich in Bewegung setzte und nach Paris dringen zu wollen schien,
führte am 28. November zur Schlacht bei Beaune la Rolande, welche
die Kämpfe von Orléans eröffnet. General Voigts-Rhetz wies in 8 stün-
diger, heißer Schlacht den Feind zurück, und nun ging seit dem 1. Dezember
die ganze II. Armee zum Angriffe vor. Am 2. Dezember warf der Groß-
herzog die Fra#zofen westlich der Straße von Orléans; am 3. nahmen die
Corps der Armee die Dörfer nördlich von Orléans, unterstützt von den
Bayern und den Truppen des Großherzogs; am 4. abends standen die
Deutschen, von verschiedenen Seiten andringend, in den Vorstädten vor Or-
léans und am Bahnhofe der Stadt. In der Nacht kapitulierte Orléans,
der Rest der Feinde erhielt, unter der Bedingung, die Brücke über die Loire
zu schonen, freien Abzug. Am 5. schweiften die deutschen Reiter schon auf
dem linken Loireufer und folgten dem zum Teil in Auflösung weichenden
Feinde, bis auf Gien, Vierzon und Tours hin. —
§ 777. In denselben Tagen gewann die I. Armee unter Manteuffel
ebenfalls Fühlung mit einer unterdessen gebildeten französischen Nordarmee.
Die I. Armee war von Metz in nordwestlicher Richtung vorgegangen, dann
auf Befehl des Königs gegen Amiens und Rouen. Bei ersterem Orte traf
Manteuffel auf eine starke Armee, die statt der erwarteten 18000 Mann
an 30000 Mann zählte und das Vordringen der Unseren zuerst durch energischen
Angriff zu hemmen suchte, dann hinter starken Verschanzungen tapferen Wi-
derstand leistete, so daß der bei. Amiens am 27. November erfochtene Sie
schwere Opfer kostete. Aber der Feind zog sich nun weit auf Arras rück-
wärts, ließ Rouen fast ohne alle Verteidigung in Manteuffels Hände fallen,
5. Dezember, der nun von hier aus bis an die Küsten des Kanals und süd-
wärts bis über die Seine hinaus seine Truppen schweifen ließ, so daß er
die Pariser Belagerungsarmee nach Norden und Westen hin sicherte. Das
erste große Resultat war durch die Kämpfe der II. Armee um Orlbans,
durch die Werders bei Dijon, die der I. Armee bei Amiens erreicht: die in
der Bildung begriffenen Entsatzarmeen der Franzosen waren nach allen Seiten
hin zurückgeworfen worden.
778. In Paris selbst hatte, namentlich seit Diers, der Herold des
Ruhmes des ersten Napoleon, aber auch der einzige bedeutende Staatsmann,
den Frankreich noch hatte, von seiner vergeblichen diplomatischen Reise an
die Höfe von Wien, Petersburg und London zurückgekehrt war, Ruhe, ja
augenscheinlich Mutlosigkeit und Lust zum Friedensschlusse acherrsct. Diese
Stimmung hatte die Arbeiterbevölkerung zu einem Versuche benutzt, die
„Commune" zu proklamieren, der, für einen Tag, 31. Oktober, gelingend,
Zeugnis gab, sowohl wie die Kräfte, welche die Zustände von 1792 und 93
erneuen wollten, in der Tiefe gärten, als auch wie unentschlossen die
militärische und bürgerliche Gewalt war. Gegen Ende November aber hob
sich die Stimmung durch die Hoffnung auf den Entsatz der Stadt. Man
stand überhaupt durch alle Hilfsmittel der erfindungsreichen Neuzeit, Luft-
ballons, Telegraphie, photographisch verkleinerte Korrespondenzen, die durch
Brieftauben bun- und hergeführt wurden rc., in fortwährendem Austausch
mit dem übrigen Füarmaeih und wußte genau, was draußen geschah. Dem
Anrücken der Entsatzarmeen entsprach deshalb Ende November ein Aus-
fall, der, zum Schein nach allen Seiten gerichtet, doch seine Kraft gegen
Südosten wandte, von wo man die Loirearmee, die Prinz Friedrich Karl
in denselben Tagen bei Beaune la Rolande schlug (§ 776), erwartete.
Solche Ausfälle kündigten sich stets durch vorausgehende heftige Kanonaden