Letzte Anstrengungen des franz. Volkes, Jan. 1871. Sieg der Deutschen. §§9 785—786. 485
auch angreifende, den Feind verwirrende Vorstöße helfen, und ein solcher
war der bei Villersexel, 9. Januar, der, obwohl der Ort von den Unsren
gegen die Ubermacht bald wieder geräumt werden mußte, doch den be-
zeichneten Zweck vollständig erreichte. So rückte General Werder in die
durch ihn so berühmt gewordenen Linien hinter der Lisaine ein. Die
Lisaine ist ein Bach, der in fast südlichem Lauf bei Montbéliard in den
Doubs geht, welcher hier seine nördlichste Windung beschreibt. Mit dem
von Osten kommenden Allainebach, dessen breites, sumpfiges Thal nur wenige
Ubergänge hat, fast einen rechten Winkel bildend, als dessen Scheitelpunkt
Montbéliard mit seiner beherrschenden Citadelle gelten kann, bieten so Lisaine
und Allaine eine vortreffliche Verteidigungsstellung. Da aber der Angriff
von Westen kam, so ward nur das Lisainethal wichtig, dessen steile östliche
Thalränder mit den zahlreichen, dazwischen liegenden Dörfern, von Frahier
und Héricourt bis Montbsliard hin, Werder wohlbefestigt inne hatte. Im
Rücken seiner Stellung lag die Festung Belfort, die gleichfalls stark um-
schlossen und beobachtet gehalten werden mußte, obwohl Werder zum Teil
das Belagerungsgeschütz und auch alle aus der Belagerungslinie irgend ent-
behrlichen Truppen an sich zog. Nachdem Vorposten-Gefechte in den vorher-
gehenden Tagen die Nähe der feindlichen Macht angetündigt begannen seit
dem 15. Januar die Angriffe auf die Lisaine-Linie. Eben war wieder
strenge Winterkälte eingetreten, die beim Zufrieren aller Bäche der Stellung
Werders viel von ihrer Stärke raubte und die Mühsale des Kampfes noch
gewaltig steigerte. Aber Werder und seine heldenmütigen Truppen (Badener,
gemischte Abteilungen Norddeutscher) wußten, daß alles davon abhing, daß
sie hier standhielten, wußten auch, daß bereits ihre Landsleute in Eil-
märschen sich nahten, Bourbaki im Rücken zu fassen und ihnen Erleichterung
zu bringen. So wiesen sie alle Gewaltstöße, die am 15., 16. und 17. auf
die Lisaine-Linien gemacht wurden, unerschütterlich zurück: wo eins der
befestigten Dörfer verloren war, wo der Feind einmal auf dem linken Ufer
des Baches festen Fuß zu fassen glaubte, ward er wieder zurückgeworfen,
die Ortschaften mit stürmender Hand von den Unsrigen wieder genommen.
Schon am 17. begann bei dem Feinde Erschöpfung sich zu zeigen, er fing
an, allmählich sich selbst nur noch zu verteidigen. Die Ursache hierfür
lag nicht bloß in dem ungebrochenen Widerstande des Werderschen Corps,
sondern auch darin, daß Bourbaki vom Herrannahen Manteuffels Kunde
hatte und für seine Rückzugslinie besorgt wurde. Am 18. war der Feind
vor Werders Front verschwunden, und dieser konnte am folgenden Tage
zur Verfolgung übergehen. Die Franzosen hatten, 150 000 Mann start,
umsonst gegen die 43 000 Mann, die Werder führte, gerungen, auch von
der bereits entmutigten Feste Belfort war kein Ausfall geschehen, um den
Angriff des Entsatzheeres zu unterstützen. Das Schicksal der französischen
Bürme, war bereits entschieden, obgleich noch das fürchterliche Ende
evorstand.
& 786. Selbst die französische Nordarmee (§F 783), die kleinste, aber
am entschlossensten geführte Armee der Feinde, entging der vollständigen Be-
siegung durch die deutsche Minderheit nicht. Freilich Faidherbes Versuch, die
von Truppen der I. Armee belagerte Péronne zu entsetzen,
konnte nur mit äußerster Anstrengung durch den Kampf bei Bapaume
(3. Januar) vereitelt werden. Als aber dann nach Péronnes Fall und nach
den Siegen der Deutschen bei Le Mans die I. Armee sich verstärken konnte,
da faßte Goeben, der an Manteuffels Stelle (I 785) den Oberbefehl im