Full text: Geschichte des deutschen Volkes.

VI 
Denn so lange die brandenburgische Geschichte selbst noch Provinzialge- 
schichte ist, hat sie keinen Vorzug vor der anderer Landschaften, ja steht den 
meisten an Ergiebigkeit nach. Anders gestaltet sich die Sache von der Zeit 
des Großen Kurfürsten an. Aber von hier aus ist die preußische Geschichte 
auch die deutsche, und umgekehrt; eine Trennung beider ist unmöglich. 
Preußen wird für so viele ruhmreiche Mühen, die es in älteren wie neuesten 
Tagen für das gesammte deutsche Vaterland getragen hat, immerhin wohl 
den Anspruch erheben dürfen, daß die deutsche Geschichte auch die seine sei. 
In diesem Sinne unternahm ich es, die nachfolgende „Geschichte des 
deutschen Volkes“ zu schreiben. Mir schwebte das Ziel vor, dem Schüller 
ein Buch zu übergeben, das nicht blos ein trockener Leitfaden wäre. Nicht 
als mißkennte ich die „selbstlose Arbeit“, die einem solchen, soll er ernsten 
Anforderungen genügen, zu Grunde liegen muß. Aber ich sagte mir, daß 
der Knabe nicht blos in der Schule und durch den Lehrer lernt. Haftet 
doch eine Geschichte, ein Vers, ein Wort, die er im Fluge, im zufälligen 
Lesen aufraffte, oft besser, als das noch so mühsam Eingeübte. Er suche, 
finde und erwerbe sich Manches selbst. Darum möchte das Büchlein dem 
Schüler eine Freude sein, nicht eine neue Last zu dem reichen Maße der 
schon vorhandenen. Und ich möchte jeden Lehrer bitten, es nicht dazu zu 
machen. Ich halte nichts von dem spielenden Lernen. Unser Beruf ist 
ernste Arbeit. Aber der Lehrer selber soll in der Schule mit dem Schüler 
arbeiten, nicht blos beguem aufgeben und immer wieder aufgeben. Lucae 11, 46. 
Die Methode des historischen Unterrichts — leider spreche ich aus. 
Erfahrung — scheint mir ohnehin noch schwankend zu sein. Geschichte ist 
nicht blos, wie man glauben könnte, einfaches Erzählen. Am Wenigsten 
aber schickt sich die Kathedermethode für die Schule. Der Schüler ver- 
trägt sie nicht, selbst wenn er von Stunde zu Stunde angehalten wird, 
zu referiren. Wäre auch noch so viel Anregung da, ich fürchte, das 
positive Ergebniß im Lernen wird gering sein. Denn des Schülers Thätig- 
keit dabei ist eine nur passive, die Uebersicht geht ihm verloren und je 
eigenthümlicher und umfassender die Darstellung ist, um so mehr wird er 
in die Gefahr kommen, zum ertödtenden Nachschreiben seine Zuflucht zu 
nehmen, um doch etwas zu haben, woran er sich halten kann. Der Lehrer, 
der dieser Methode folgt, wird am Liebsten gar kein Lehrbuch wünschen, 
höchstens einen Leitfaden zu Repetitionen und zur Uebersicht. Nur mag 
er sorgen, wie er im Cursus auskommt, wenn er sich überhaupt nicht genial 
darüber hinwegsetzen will. — Aber gerade der historische Unterricht erfordert 
Selbstentsagung. Gar mancher ist deshalb prinzipiell in das entgegenge- 
setzte Extrem, in die rein schematische Methode verfallen. Man sucht durch 
stets wiederkehrende Repetitionen die Hauptdaten einzuprägen, oder giebt 
im glücklicheren Falle einen scharfen, vielleicht geistreichen, aber immer doch 
skizzenhaften Abriß. Fehlt doch die Zeit, auf Schulen mehr als das Nö- 
thigste zu geben, wenn es sicher und fürs Leben sein soll! Dafür reicht
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.