Full text: Geschichte des deutschen Volkes.

60 Innere Gestalt des Frankenreiches unter Karl dem Großen. §§ 85—85. 
selbst, ja er verschmähte es nicht vorzuschreiben, welche Obstarten und welche 
Blumen angepflanzt und wie große Vorräte von Fleisch, Speck, Gemüse u. s. w. 
gehalten werden sollten. 
§5 84. Wie Theoderich der Große das Bild eines deutschen Königs aus 
der Zeit der Völkerwanderung, so ist Karl bei aller Einfachheit seines Wesens 
doch das rechte Bild der Vereinigung von kirchlicher und weltlicher Majestät, 
wie man sie von einem Kaiser erwartete. Er sorgte für das Größte und 
Kleinste, für das Fernste und Nächste zugleich. Wie er selber einfach war 
in seiner Kleidung und den leinenen Rock trug, den seine eigenen Töchter 
gewebt hatten, und den großen, warmen friesischen Mantel, so verlangte er 
auch von seiner Umgebung Einfachheit und verhöhnte seine Höflinge, wenn 
ihnen bei der rauhen Jagd die seidnen Flittern, die aus dem Morgenlande 
kamen, in Fetzen gingen. Unter den Freuden und Erholungen seines Hofes 
nahm die Jagd den ersten Platz ein; außerdem liebte er es auch, in den 
warmen Bädern von Aachen, welchen Ort er später allen andern vorzog, 
zu schwimmen. Beim Mahle ließ er sich vorlesen, verschmähte es auch nicht, 
selber mit den dazu bestimmten Mönchen Leseübungen anzustellen. Die 
Schulen, die er bei allen Klöstern anlegte, besuchte er selbst und lobte die 
fleißigen und tadelte die trägen Schüler; auch den fränkischen Kirchengesang 
verbesserte er durch römische Gesangmeister und befahl, daß in der Landes- 
sprache gepredigt werde. So sorgte er für die allgemeine Volksbildung, in- 
dem er zugleich die eigne, in der Jugend vernachlässigte Bildung zu fördern 
strebte. Er umgab sich mit gelehrten Männern, unter denen besonders Angel- 
sachsen und vorzüglich der weise und fromme Alcuin hervorragten; noch in 
seinem Alter und selbst des Nachts übte er die ans Schwert gewöhnte Hand 
zum Schreiben und versuchte das Erlernen der griechischen Sprache. Des 
Lateinischen war er von Anfang an mächtig. Auch die deutsche Sprache ehrte 
er, erfand mit seinen Freunden für die Monate, für die Winde u. s. w. 
deutsche Benennungen und trug Sorge, daß die alten Heldenlieder der deutschen 
Volksstämme aufgezeichnet wurden, die aber dann leider sein Sohn in 
mönchischem Eifer wieder * zerstören lassen. Die Geistlichen hielt er in 
poben Ansehen, erkannte ihnen im ganzen Frankenreiche den Zehnten zu und 
orgte überall für geistliche Stiftungen, durch welche damals der Anbau des 
Bodens und die Gesittung befördert wurde. ÜUbrigens ernannte er die 
Bischöfe und Abte meist selber. — Eine feste Residenz hatte Karl nicht; er 
zog durch das ganze Reich umher und kehrte in seinen Pfalzen ein; besonders 
gern verweilte er am Rhein, zu Ingelheim, Mainz, Nymwegen, und vor 
allem, um der Bäder willen, zu Aachen, wo er ein prächtiges Königshaus 
und den herrlichen Dom hatte bauen lassen. Auch den Handel beförderte 
er eifrig, ließ Straßen anlegen und versuchte sogar durch einen Kanal Main 
und Donau zu verbinden. Doch lag der Handel meist in den Händen der 
beweglichen Griechen, Araber und Juden, während der Franke wie der Deutsche 
überhaupt, an Pflug oder Schwert gewöhnt, ihn noch verschmähte, nur Friesen 
werden als Kaufleute in verschiedenen Teilen des Reiches häufiger erwähnt. 
§ 85. So stand Karl hochgeehrt unter den Völkern der ganzen Welt. 
Damals gebot als Kalif mit gleicher Macht im Morgenlande Harun al 
Raschid zu Bagdad. Dieser begrüßte Karl durch eine Gesandtschaft und 
kunstreiche Geschenke, und Karl erwiderte solche Freundschaft. Auch die Könige 
der Nordmannen ehrten ihn in ähnlicher Weise, doch schätzte er eine gute 
Schwertklinge mehr als ihr Gold. 
 
	        
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