272 Der Schandfleck von Zürich am 9. März.
Athen, wie es früher genannt wurde, feierten in der festlich ge-
schmückten Tonhalle die dortigen Deutschen, im Gedanken an die
Siege des „Volks in Waffen“ und an die endlich errungene Ein-
heit, ein Friedensfest. Es mochten 800 bis 900 Personen zugegen
sein, Professoren, Studenten, Kaufleute, Arbeiter, viele Frauen mit
ihren Töchtern, auch manche Schweizer. Man hat noch nie gehört,
daß, wenn Schweizer in irgend einem der deutschen Staaten ihr
Bundesfest hielten und ihrem Patriotismus und ihrer Liebe zur
Heimat den innigsten und kräftigsten Ausdruck gaben, ein solches
Fest von der deutschen Bevölkerung gestört worden wäre. In dem re-
publikanischen Zürich aber hatte am Abend des 9. März das Fest kaum
mit Rede und Gesang begonnen, als von dem Pöbel ein Steinhagel
nach den Fenstern der Tonhalle geschleudert, die Eingänge zu erstürmen
gesucht und in dieser Weise von Abends 9 Uhr bis Morgens 2 Uhr
fortgewüthet wurde. Gleichzeitig drangen etwa 18 französische Officiere,
welche in dem Restaurationslokal der Tonhalle ihr Hauptquartier
hatten, mittelst Erbrechens der Thüre, mit gezogenem Säbel die
Treppe hinan, die zu der Tribüne führte, auf welcher Sänger, Da-
men und Orchester sich befanden. Was sie bei Hericourt, bei Mont-
beliard, bei Pontarlier versäumt hatten, wollten sie hier nachholen.
Mit diesem französischen Gesindel, welches das Gastrecht der Schweiz
genoß und dieses Recht in gewohnter frevelhafter Weise mit Füßen
trat, welches den Truppen Manteuffel's und Werder's gegenüber
zitterte und bebte und vor Damen und Sängern den Säbel schwang,
wurde man bald fertig. Die anwesenden Schweizer fühlten zuerst
und allermeist die Schmach dieses Tages. „Die Ehre der Schwei-
zer ist es, die auf dem Spiele steht!“ rief ein wackerer Eidgenosse
und hieb in Verbindung mit den Deutschen so kräftig mit Stuhl-
füßen und Notenpultstücken auf die verschrobenen Franzosenköpfe
los, daß diese in wenigen Minuten die Treppe hinuntergedrängt
und aus der Restauration hinausgejagt wurden. Auch hier zeigte
sich der gerühmte „éClan“ nicht von seiner glänzendsten Seite. Aber
während im Innern der Tonhalle die Deutschen siegten, blieb draußen,
Dank den Züricher Behörden, Dank der demokratisch --republikani-
schen Regierung, Dank der trefflichen Disciplin der aufgebotenen
Züricher Miliz, der Pöbel Sieger. Die aufgebotene Miliz machte
gemeinschaftliche Sache mit dem Pöbel, freute sich der klirrenden
Fenster und verweigerte den Oberofficieren und Regierungsräthen,