22 Der Inhaber der Militärgewalt.
baren Verordnungsrecht, an dessen Inhaberschaft sich allerdings die
höchste Verwaltung knüpfen würde; daß vielmehr das Inspektions-
verordnungsrecht nur ausnahmsweise bei Vorhandensein von Mängeln
in Erscheinung tritt, also nur nachträglich und korrektiv wirkt und
darum auch neben sich ein selbständiges, allgemeines Verordnungsrecht
fortbestehen läßt.
Um so weniger aber hat der Kaiser die höchste Militärverwaltung,
als er tatsächlich das unmittelbare Inspektionsverordnungsrecht gar
nicht ausübt. Weder nach der bayrischen, noch nach der württem-
bergischen Konvention kann er die Abstellung der gelegentlich einer
Inspektion vorgefundenen Mängel selbst bewirken; und auch nach der
sächsischen Konvention a 4.3 ordnet der Kaiser nicht unmittelbar die
Beseitigung der Mißstände an. Er verpflichtet nur durch Feststellung
und Mitteilung der Mängel den König von Sachsen zur Abstellung.
Dieser hat das unmittelbare Verordnungsrecht zur Beseitigung der
Mängel. Ist auch nach formalen Grundsätzen dieses Verordnungs-
recht des sächsischen Königs, da es der Verfassung widerspricht, ohne
von ihr sanktioniert zu werden, als ungültig anzusehen, so ist es doch
tatsächlich in Geltung. Dasselbe gilt übrigens auch von der Be-
stimmung des a 4.1, der sächsischen Konvention, wonach der Kaiser
nicht zu „jeder Zeit“, sondern nur „mindestens einmal im Jahre"“
inspizieren darf; formal ist sie ungültig und trotzdem in An-
wendung.
Wenn also a 63.3 die Aussichtsgewalt des Reiches bezüglich des
Heerwesens erweitert, so bedeutet doch auch diese erweiterte Aussichts-
gewalt keineswegs höchste Verwaltung des Reiches. Die Militär-
verwaltung ist nicht deswegen eine Reichsverwaltung, weil dem Reiche
die Beaufsichtigung des Militärwesens, dem Kaiser das militärische
Inspektionsrecht zusteht. Haben die Einzelstaaten die Verwaltung über
bestimmte Zweige des Militärwesens, so bleibt ihnen dieselbe, auch
wenn das Reich die Beaufsichtigung, der Kaiser das Inspektionsrecht
hat. Ja, ein bestehendes Aufsichtsrecht des Reiches spricht sogar
dafür, daß den Einzelstaaten die betreffende Militärverwaltung zusteht;
würde dieselbe dem Reiche zustehen, so wäre keine besondere Nor-
mierung des Aussichtsrechtes nötig; das Reich hätte schon an und
für sich das in jeder Verwaltung inbegriffene Aussichtsrecht.