Full text: Die Teilung der Militärgewalt im Deutschen Bundesstaat.

36 Der Inhaber der Militärgewalt. 
daran eine ausschließliche Regierungsgewalt des Reiches. Das Reich, 
das schon die Gesetzgebungs= und Aufsichtsgewalt besitzt, hätte dann 
die gesamte Militärgewalt; an dem reichsinstitutlichen Charakter des 
deutschen Heeres wäre nicht mehr zu zweifeln. Folgt man dieser An- 
sicht, die dem Reiche bzw. dem Kaiser ein alleiniges Armeeverordnungs- 
recht gibt, so muß man konsequenterweise zu dem Brockhausschen! 
Ergebnis gelangen, daß die Kriegsministerien der Einzelstaaten dem 
Kaiser und Reichskanzler untergeordnet, daß sie Reichsbehörden sind. 
Daß dies aber nicht der Fall ist, lehrt eine einfache Betrachtung der 
tatsächlichen Verhältnisse. Oder sind etwa die Kriegsminister von 
Württemberg und Sachsen dem Kaiser verantwortlich, dem sie niemals 
Vortrag halten; sind sie dem Reichstag Rechenschaft schuldig, in dem 
sie nicht einmal Sitzrecht haben? Sind sie nicht vielmehr Landes- 
beamte, von ihrem Landesherrn ernannt und diesem allein untertan!: 
Die Unmöglichkeit des Brockhausschen Resultates bei an sich rich- 
tiger Schlußfolgerung ist aber ein Beweis dafür, daß die Voraus- 
setzungen, die dieses falsche Resultat ergeben, unrichtig sind; daß die 
Annahme eines ausschließlichen Verordnungsrechtes des Kaisers eine 
falsche Annahme ist. Gerade das Vorhandensein selbständiger, dem 
Reiche nicht untergeordneter, einzelstaatlicher Kriegsministerien bestätigt 
das Bestehen eines landesherrlichen Militärverordnungsrechtes und im 
Anschluß daran einer einzelstaatlichen Regierungsgewalt. Es gibt 
eben kein Reichskriegsministerium, dem die vier bestehenden einzelstaat- 
lichen Kriegsministerien untergeordnet wären; sie üben vielmehr die 
ihnen zustehenden Funktionen selbständig aus. 
Es wäre also festgestellt, daß das Reich und die Einzelstaaten 
sich in die militärische Vollziehungsgewalt teilen, insofern als die Re- 
gierungsgewalt zum Teil dem Reiche, zum Teil den Einzelstaaten 
zusteht. Aber wie wir noch nicht festgesetzt haben, auf welchen Ge- 
bieten das Reich, auf welchen die Einzelstaaten das Verordnungsrecht 
ausüben, so ist auch noch nicht bestimmt, wie die einzelnen in der 
Regierungsgewalt enthaltenen Hoheitsrechte zwischen Reich und Einzel- 
staaten verteilt sind. Es soll darum im nächsten Teil der Arbeit der 
Inhaber der einzelnen in der Regierungsgewalt enthaltenen Hoheits- 
1 Brockhaus 126; so auch Schulze II, 287. 
* So zuerst.sLaband im Archiv III, 525; Laband IV, 63; jetzt auch 
u. a. Gau 38.
	        
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