Full text: Die Teilung der Militärgewalt im Deutschen Bundesstaat.

Der Inhaber der Regierungsgewalt. 41 
keit aller Truppenteile des deutschen Heeres, auch die Aufsicht darüber 
hat, daß die Organisierungstätigkeit der Einzelstaaten sich nach den ein- 
schlagenden Reichsmilitärgesetzen und etwa ergangenen Ausführungs- 
verordnungen! richtet, ist ihm nicht die höchste Organisierungsgewalt 
gegeben. Das Inspektionsrecht bedeutet, wie wir schon oben? gesagt 
haben, keineswegs höchste Vollziehung und beeinträchtigt somit auch 
nicht die einzelstaatliche Inhaberschaft der Organisierungsgewalt. 
B. Nach a 60.3 steht nun dem Reiche die Feststellung der 
Friedenspräsenzstärke zu, d. h. es hat die Zahl der in Erfüllung 
ihrer gesetzlichen Dienstpflicht bei den Fahnen befindlichen. Mannschaften 
(Offiziere, Unteroffiziere, Militärbeamte und Einjährig-Freiwillige sind 
in dieser Zahl nicht inbegriffen, vielmehr wird ihr Bestand durch den 
Reichsmilitäretat bestimmt) und damit auch die Zahl der jährlich von den 
Einzelstaaten auszuhebenden Rekruten zu bestimmen. Diese Bestimmung 
hat im Wege der Gesetzgebung, also durch Bundesrat und Reichstag # zu 
erfolgen. Als Gesetz ist auch das Etatgesetz anzusehen; darum genügt zur 
Festsetzung der Friedenspräsenzstärke, an Stelle eines besonderen Gesetzes 
über den Friedenspräsenzstand, der Erlaß eines bloßen Etatgesetzes." 
Im Gegensatz zu à 60.2 scheint nun a 63.4 zu stehen, welcher dem 
Kaiser das Recht überweist, den Präsenzstand der Kontingente des 
Reichsheeres zu bestimmen. Daß hierdurch ein unbeschränktes kaiserliches 
Bestimmungsrecht für den Krieg normiert wird, ist unbestritten.“ 
Streit herrscht aber darüber, wie weit im Frieden a 63.4 neben 
a 60.2 Geltung hat. Unseres Erachtens kann es keinem Zweifel unter- 
1 Die einschlagenden Reichsmilitärgesetze sind: Wehrgesetz vom 9. No- 
vember 1867; Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874 mit mehreren Novellen; Land- 
sturmgesetz vom 12. Februar 1875; Kontrollgesetz vom 15. Februar 1875 ff. Als 
Ausfürungsverordnung kommt die Wehrordnung vom 22. November 1888 
für diese Gesetze in Betracht, welche für das gesamte Heer vom Kaiser auf Grund 
besonderer gesetzlicher Ermächtigung (s. Reichsmilitärgesetz § 71) erlassen worden 
ist. Demgegenüber ist die Heerordnung vom 28. September 1875, welche die Wehr- 
ordnung ausführt, direkt nur für die preußische Armee vom preußischen König er- 
lassen und darauf in den übrigen Kontingenten durch besondere Publikation der 
betr. Landesherrn eingeführt worden; sie ist also eine Landesverordnung. 
2 S. o. S. 20—22. 
s So die Reichsgesetze betr. die Friedenpräsenzstärke vom 3. August 1893 
und vom 28. Juni 1896. 
4 So: Seydel 325, III; Laband, 1V, 83; v. Savigny 225. " 
5 Vgpgl. Gümbel 172.
	        
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