Full text: Die Teilung der Militärgewalt im Deutschen Bundesstaat.

Der Inhaber der Regierungsgewalt. 43 
darf der Präsenzstand die Ziffer nicht übersteigen. Ausnahmsweise 
kann allerdings sogar die Durchschnittsziffer überschritten werden, wenn 
sich Verstärkungen des Heeres aus Anlaß besonderer Verhältnisse not- 
wendig machen. 
Mit der näheren Bestimmung des Friedenspräsenzstandes der 
Kontingente des deutschen Heeres steht nun dem Kaiser auch das Recht 
zu, die Zahl der von den Einzelstaaten auszuhebenden Rekruten mit 
Rücksicht auf die gesetzlich fixierte Friedenspräsenzstärke festzusetzen. 
Damit kommt aber das einzelstaatliche Ersatzgeschäft keineswegs in 
Unterordnung unter den Kaiser. Ebensowenig, wie die dem Reiche 
zustehende, umfassende Gesetzgebungskompetenz in Militärsachen die In- 
haberschaft der Einzelstaaten bezüglich der Organisierungsgewalt beein- 
trächtigt oder beseitigt (denn Gesetzgebungs= und Vollziehungsgewalt 
brauchen sich keineswegs in einer Hand zu befinden), ebensowenig hebt 
das kaiserliche Recht, die Zahl der auszuhebenden Rekruten zu be- 
stimmen, die Selbständigkeit der Einzelstaaten bezüglich des Ersatz- 
geschäftes auf; das Ersatzgeschäft liegt den Einzelstaaten ob und keines- 
wegs untersteht es dem Reiche bzw. dem Keiser. 
2. Die Jormierung des Heeres. 
Die Formierung des Heeres ist die Zusammensetzung der durch 
die staatliche Organisierungstätigkeit ausgehobenen Masse von Dienst- 
pflichtigen zu einem nach militär-technischen Grundsätzen gegliederten 
Heeresorganismus. Die hierdurch begründete Einteilung und Gliederung 
des Heeres in einzelne Truppengattungen und Truppenteile nennt man 
die Formation des Heeres.2 
Die Formierungsgewalt ist durch a 63.6 dem Kaiser übertragen 
worden. Der Kaiser hat somit ein unmittelbares Verordnungsrecht 
in Formationsangelegenheiten. Jede Tätigkeit des Heeres oder einer 
Militärbehörde, die die Formation betrifft, geschieht im Namen und 
in Unterordnung unter den Kaiser. Die Formierungsgewalt des 
Kaisers ist aber nur im Kriege, und im Frieden betreffs des Land- 
sturmes, eine freie und unbeschränkte.¾ Bezüglich des stehenden Heeres 
und der Landwehr ist der Kaiser, ebenso wie die Einzelstaaten bei 
1 Vgl. Wehrgesetz vom 9. November 1867, § 6.. 
* Vgl. Brockhaus 65, 66. 3 Reichsmilitärgesetz 8 6; Laband 1V, 92.
	        
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