44 Der Inhaber der Militärgewalt.
ihrer Organisierungsgewalt, im Frieden an die Verfassung und die
Reichsmilitärgesetze, insbesondere auch an den Militäretat gebunden
und kann nur, soweit diese Gesetze nicht entgegenstehen, die Formation
frei bestimmen.! So muß er Rücksicht auf den Bestand der vier selb-
ständigen Kontingente? nehmen. Er darf dieselben auch formationshalber
nicht zerreißen oder Teile von ihnen loslösen, um sie anderen Kontingenten
einzureihen. Er darf weiter nicht die in dem Rekrutierungsbezirk eines
dieser vier Kontigente ausgehobenen Militärpflichtigen in den Truppen-
körper eines anderen Kontingentes einstellen; denn jeder der Staaten
mit selbständiger Kontingentsverwaltung hat das Recht, aus den in ihm
ausgehobenen Militärpflichtigen, ein ihm eigenes „auf sein Gebiet
gleichsam radifiziertes Kontingent“ zu bilden. Von den in ihm aus-
gehobenen eigenen Rekruten können — aber müssen nicht — den
Truppenteilen eines anderen Bundesstaates nur so viel zugeteilt werden,
als Untertanen des betreffenden Bundesstaates in ihm ausgehoben
worden sind.3 Aber nicht nur den selbständigen Bestand der Kontingente
hat der Kaiser zu gewähren, auch bezüglich der Formation innerhalb
der Kontingente sind ihm bestimmte Schranken teilweise durch Gesetz,
teilweise durch die Militärkonventionen gezogen. Als einschlagende Be-
stimmungen kommen für Sachsen die §§ 2—5 des Reichsmilitärgesetzes
und à 1 der Sächsischen Militärkonvention in Frage.
Trotz dieser Beschränkungen des kaiserlichen Formationsrechtes
kann von einer Zersplitterung in der Gliederung des deutschen Heeres
keine Rede sein; einmal weil diese Beschränkungen nur bezüglich der
Einzelstaaten mit selbständiger Kontingentsverwaltung, nicht aber bei den
übrigen Einzelstaaten, die die Verwaltung ihrer Kontingente an Preußen
übertragen haben, Platz greifen; dann, weil auch die vier selbständigen
Kontingente, Bayern, Wüttemberg, Sachsen und Preußen zu einer ein-
heitlichen Formation verbunden sind. In welcher Weise diese herbei-
geführt ist, zeigt z. B. a 1 der Sächsischen Militärkonvention, welche
Bestimmung übrigens auch vom formalrechtlichen Standpunkte als gültig
anzusehen ist, und weiter a 63.2 der Verfassung im 1. und 2. Absatz.
1 Laband IV, 37, 77. * S. o. S. 17.
8 So ist § 9., des Reichsmilitärgesetzes aufzufassen, wie Laband im Archiv
f. ö. R. III, 521 und Hänel 503 zeigen. § 9.4 spricht von den Bundesstaaten,
welche eigene Armeekorps bilden und das sind eben diejenigen mit selbständiger
Kontingentsverwaltung. Vgl. auch Laband IV, 50, 51.