— 248 —
Verhältnis des Staates zu jenem Dritten ist überhaupt nicht
mehr Rechtsverhältnis im Sinne der herrschenden Auffas-
sung. Und im zweiten Falle wird einem von zwei rechts-
logisch gleichwertigen Voraussetzungen einer Rechtswirkung
ein Mehrwert zugesprochen, den keine juristische, sondern nur
eine politische Norm verleihen kann.
Ich verhehle mir nicht, daß die praktisch-politischen Be-
dürfnisse, denen die herrschende Theorie des Staats- und Ver-
waltungsrechtes mit ihren Konstruktionen Rechnung trägt,
wenn sie den Staat auch im Bereiche des Rechtes, auch sofern
er nur Rechts- und Pflichtsubjekt zu sein scheint, als macht-
volle Autorität aufzurichten versucht, einstweilen stärker
sind als die theoretischen Resultate reiner juristischer
Methode, mit denen die Konstruktionen der herrschenden
Lehre unvereinbar sind®°. Aber ich zweifle nicht, daß der Tag
© Daß der Gegensatz zwischen privatem und öffentlichem Rechte
trotz seiner logischen Haltlosigkeit bisher dennoch aufrecht erhalten
wurde, dafür gibt Weyr einen psychologischen Grund an:
„Man sah sich im allgemeinen einem überaus mächtigen Rechts-
subjekte, dem Staate gegenüber. Es war genug, wenn der noch vor
kurzem ‚gehorsamste Untertan‘ diesem mit allen Mitteln der Souveräni-
tät ausgestatteten Rechtssubjekt gegenüber (daß ‚Souveränität‘ nicht
dem der Rechtsordnung unterworfenen Rechtssubjekt Staat, sondern
der staatlichen Rechtsordnung zukommt, unterläßt Weyr hervorzu-
heben) sich im allgemeinen als Rechtssubjekt und nicht mehr als willen-
loses Objekt zu fühlen beginnt. Man kann von ihm nicht verlangen, daß
er so weit gehen solle, dieneugeschaffenenrechtlichen
Relationen zwischen ihm und dem Staat als
wesensgleich mit jenen, die ihn von altersher
mit anderen ‚gehorsamsten Untertanen‘ verban-
den, zu betrachten. Dieser in seinem Wesen psychologische
Grund der Unterscheidung trifft aber nun begreiflicherweise bei allen
juristischen Schriftstellern, die sich mit der Rechtsnatur des Staates
beschäftigen, in größerem oder kleinerem Maße zu: Er ist so stark, daß
nicht einmal die für naive Gemüter verblüffende Aehnlichkeit beider
Arten von rechtlichen Relationen darüber hinweghalf“ (a. a. O. S. 537/38).