52 Der Inhaber der Militärgewalt.
Kontingenten zur Nachverordnung mitgeteilt werden, zu kontrasignieren.
Aber diese Gegenzeichnung des Reichskanzlers macht die Verordnungen
keineswegs zu Reichsverordnungen. Sie bleiben Landesverordnungen
und werden in den Landesverordnungsblättern publiziert. Infolgedessen
steht der Reichskanzler auch nicht an der Spitze der militärischen
Finanzbehörden und hat kein unmittelbares Eingriffsrecht in die Ver-
waltungstätigkeit derselben. Sein Gegenzeichnungsrecht ist nur die
Form, in der er die Kontrolle ausübt, die er notwendigerweise über
die militärische Finanzverwaltung haben muß, um später über sie Rech-
nung zu legen.? Landesherrliche Verordnungen leiten also die militärische
Finanzverwaltung. In Unterordnung und im Namen des Landesherrn
werden die Militärbehörden bei der Finanzverwaltung tätig. Ver-
pflichten und berechtigen sie auch durch ihre finanzielle Verwaltungs-
tätigkeit das Reich unmittelbar, so unterscheidet sich doch staatsrechtlich
diese ihre Tätigkeit in nichts von der Tätigkeit anderer Landesbehörden.
In gleicher Unterordnung unter den Einzelstaat erfüllen sie das Reichs-
etatgesetz, wie z. B. die Justizbehörden die Reichsjustizgesetze. Nur
privatrechtlich handeln sie im Namen des Reiches; staatsrechtlich im
Namen des Einzelstaates. Darum ist auch die finanzielle Militärver-
waltung nicht Reichs-, sondern Landesverwaltungs; allerdings eine
Landesverwaltung, die zum Unterschied von anderen Landesverwaltungen
in Stellvertretung des Reichsfiskus handelt. Und wie über jede Landes-
verwaltung, die durch Reichsgesetz geregelt ist, so steht dem Reiche auch
über die finanzielle Militärverwaltung die Aufsichtsgewalt zu. Sie ist
es, die dem Reiche, auch ohne daß dem Kaiser oder Reichskanzler ein
unmittelbares Eingriffsrecht in diese Verwaltung zusteht, doch die
rechtmäßige Erfüllung des Etatgesetzes garantiert.
1 Vgl. Laband 1V, 23.
2 Da der Reichskanzler nicht unmittelbar leitend in die militärische Finanz-
verwaltung eingreifen kann, trifft ihn auch nicht die volle ministerielle Verant-
wortlichkeit für dieselbe. Er ist nur dafür verantwortlich, daß er die ihm obliegende
Kontrolle über die finanzielle Verwaltungstätigkeit der Militärbehörden ausgeübt
und die Einhaltung des Etatgesetzes eventuell mittels der dem Reiche zustehenden
Aufsichtsgewalt erzwungen hat. .
«DerfelbenMeinung:Seyde1350,351,353;GümbellöszLabandIv,340,
342; auch die Denkschrift des Reichskanzlers nimmt an, daß die Einzelstaaten „aus-
schließlich und unbeschränkt“ (d. h. nicht in Unterordnung unter das Reich) die finan-
zielle Militärverwaltung führen: Archiv f. öf. R.IV, 155; ebenso R.G.E. ebendort 163.