54 Der Inhaber der Militärgewalt.
In der Feststellung des Inhabers der Rechtspflegegewalt liegt
übrigens eine Bestätigung unserer Ansicht, daß auch für das Heer—
wesen der allgemeingültige Verfassungsgrundsatz Geltung hat, wonach
alle Hoheitsrechte, die nicht ausdrücklich durch die Verfassung dem
Kaiser zugewiesen sind, den Landesherrn verblieben sind. Die Militär-
rechtspflege steht den Einzelstaaten zu, ohne daß dies in der Verfassung
normiert ist. Aus der Verfassung müssen also nicht die landesherrlichen,
wohl aber die kaiserlichen Rechte nachgewiesen werden.
6. Auhang: Verwaltung der Festungen.
Die rechtliche Natur der Verwaltung der Festungen ist grund-
sätzlich von der des Heeres verschieden.
A. Während die Aufstellung des Heeres zum größten Teile
Landessache ist, liegt nach a 65 die Anlage von Festungen inner-
halb des ganzen Reichsgebietes dem Kaiser ob. Dieses keaiserliche
Recht ist, abgesehen davon, daß es an die budgetmäßige Bewilligung
der dazu erforderlichen Geldmittel durch das Reich gebunden ist, ein
völlig unbeschränktes; kein Einzelstaat hat ein Widerspruchsrecht gegen
eine Anordnung des Kaisers, nach der auf seinem Gebiet eine Festung
zu errichten ist. Das kaiserliche Recht ist auch ein ausschließliches;
kein Einzelstaat kann neben dem Reiche in seinem Gebiete Festungen
bauen. —
Mit dem Rechte, Festungen anzulegen, steht dem Kaiser auch die
Befugnis, die Festungsanlagen zu erweitern und abzuändern und weiter
notwendigerweise das Expropriationsrecht und das Recht, die Rayon-
beschränkungen aufzuerlegen, zu. Das Expropriationsrecht hat der
Kaiser nach dem in dem betreffenden Einzelstaat erlassenen Gesetz aus-
zuüben; die Auferlegung der Rayonbeschränkungen ist durch das Reichs-
gesetz betreffend die Beschränkungen des Grundeigentumes in der Um-
gebung von Festungen vom 21. Dezember 1871 näher bestimmt. Alle
die einzelnen Verwaltungsakte zur Durchführung der Enteignung, zur
Feststellung der Rayonbeschränkungen, überhaupt alle zur Anlage der
Festungen notwendigen staatlichen Funktionen unterliegen dem kaiser-
lichen Verordnungsrecht1. Die Militärorgane üben dieselben im
1 Eine Ausnahme greift Platz bei Bayern und Württemberg.