58 Der Inhaber der Militärgewalt.
der Reichskanzler mit dem preußischen Kriegsministerium aus. Das
preußische Kriegsministerium nimmt so eine zweifache Stellung ein;
einmal ist es Organ Preußens, also eines Einzelstaates, dann Organ
des Reiches. Diese seine Doppelstellung wird dadurch besonders
kompliziert, daß es schon in seiner Eigenschaft als Organ Preußens
eine vor allen übrigen Kriegsministerien hervorragende Stellung ein-
nimmt; einmal durch die ihm konventionsmäßig übertragene Verwaltung
der Mehrzahl der Kontingente, dann durch den vorbildlichen Erlaß
von Verordnungen für die übrigen noch selbständigen Kontingente,
eudlich dadurch, daß es in zentraler Weise bestimmte Verwaltungs-
zweige, wie das höhere Militärbildungswesen und die technischen
Institute, in Händen hat. Ob diese Häufung von Funktionen im
preußischen Kriegsministerium auch jetzt noch beibehalten werden muß,
oder ob es besser ist, die reichskriegsamtlichen Funktionen vom preußi-
schen Kriegsministerium loszulösen und ein Reichskriegsamt zu bilden,
ist eine Frage, die von uns nicht erörtert werden soll. Bemerkt soll
nur werden, daß allerdings die zu steter Erweiterung der Reichs-
kompetenz hinneigende Entwickelungstendenz im Deutschen Reiche auf
die Bildung eines Reichskriegsamtes hinzuschreiten scheint und daß eine
solche Bildung die staatsrechtliche Stellung der landesherrlichen Kriegs-
ministerien nicht mehr beeinflussen würde, als wie z. B. die einstige
Schaffung des Reichsjustizamtes die Stellung der Landesjustizmini-
sterien.
Die Regierungsgewalt ist also zwischen Reich und Einzelstaaten
geteilt. Dieser Teilung entspricht auch eine Zweiheit der unteren
Militärverwaltungsbehörden. Sie sind Reichs= oder Landesbehörden,
je nachdem ihre Funktionen in das Kompetenzgebiet des Reiches oder
des Einzelstaates fallen, je nachdem sie also dem Reiche oder dem
Einzelstaat untergeordnet sind.! Ja, es ist auch denkbar, daß eine Be-
hörde sowohl Reichsbehörde, wie auch Landesbehörde ist; und das ist
der Fall, wenn sie nicht nur im Kompetenzgebiet des Reiches, sondern
auch des Einzelstaates tätig ist. Dieser Teilung entsprechend ist weiter
dem Reichstag und ebenso den einzelstaatlichen Volksvertretungen die
Kontrolle der Militärverwaltung und das Recht der Initiative in
Militärsachen zuzusprechen.
1 Vgl. Laband I, 340—42.