Der Inhaber der Kommandogewalt. 63
dem Kaiser, in letzterer ist er, wie oben gesagt, dem Kontingentsherrn
und dessen Kriegsministerium unterstellt.
B. Nach a 63.1: hat nun der Kaiser, als Inhaber der Kommando-
gewalt, die Zwecktätigkeit des Heeres in Krieg und Frieden zu leiten,
also sowohl die Tätigkeit zu Kriegs= wie auch zu Ausbildungs= und
Polizeizwecken. Von diesem Grundsatz ist in der Verfassung selbst
(a 66.2) eine Ausnahme aufgestellt. Bezüglich der Tätigkeit des Heeres
zu Polizeizwecken ist nämlich zu unterscheiden, ob der Kriegszustand
erklärt ist oder nicht. Während das militärische Befehlsrecht über das
Heer zu Ausbildungs= und zu Kriegszwecken ausschließlich dem Kaiser
zusteht, hat er ein militärisches Befehlsrecht zu polizeilichen Zwecken
nur, wenn er nach a 68 in einem Bundesgebiet den Kriegszustand
erklärt hat; ist der Kriegszustand nicht erklärt worden, hat der Landes-
herr gemäß a 66.3 die Kommandogewalt zu polizeilichen Zwecken.1
Allerdings steht dem Landesherrn das militärische Befehlsrecht nur
über die eigenen Truppen zu; betreffs der fremden, in seinem Gebiet
dislozierten Truppen hat er allein das Recht, dieselben zur Hilfe-
leistung zu requierieren und leisten diese dann unter ihrem Militär-
befehlshaber die ersuchten Dienste.:
Abgesehen von diesem militärischen Befehlsrecht zu polizeilichen
Zwecken steht dem Landesherrn kein selbständiges militärisches Be-
fehlsrecht zu. Sein Recht, die Offiziere seines Kontingents selbständig
zu ernennen, ist nicht etwa ein solches Recht; es ist überhaupt kein
militärisches Befehlsrecht, kein Ausfluß der Kommandogewalt, sondern
der Regierungsgewalt, wie wir schon oben gesehen haben.3
Man könnte nun meinen, daß dem Landesherrn auf den Gebieten
des kaiserlichen militärischen Befehlsrechts vielleicht ein dem Kaiser
untergeordnetes, von diesem abgeleitetes Befehlsrecht übertragen
sei. Doch dies liegt nicht im Sinne der Verfassung. Die Stellung des
Landesherrn als Souverän und seine Unverantwortlichkeit als solcher
1 Hänel 506 betrachtet fälschlich das landesherrliche Recht der Verwendung
der Truppen zu polizeilichen Zwecken, nicht als ein militärisches Befehlsrecht. —
Richtig: Seydel 377; Gümbel 178; Bornhak 41; Gau 23.
* So: Bornhak 42; Gau 22. Anders: Brockhaus 107, der fälschlich die
Verwendung der eigenen Truppen und die Requirierung der fremden Truppen
nicht unterscheidet.
2 S. o. S. 40, Anm.