Die Rechtsnatur der Militärgewalt. 67
denn das Heer hat jeden Befehl eines militärischen Vorgesetzten un-
bedingt zu befolgen; es kann ihn nicht auf seine Rechtmäßigkeit hin
prüfen und bei Unrechtmäßigkeit den Gehorsam gegen denselben ver-
weigern. — Faktisch würde die Fixierung der Grenze zwischen Kom-
mando= und Regierungsgewalt nur die Wirkung haben, daß der
Reichskanzler, der verpflichtet ist, die die Heeresverwaltung betreffenden
Anordnungen des Kaisers gegenzuzeichnen als Beweis dafür, daß er
sie gutheißt, auch wirklich dafür verantwortlich zu machen wäre, wenn
er dieser Pflicht nicht nachkommt. Ohne rechtliche Feststellung des
Gegenstandes der Kommandogewalt kann die Gegenzeichnung einer
gegenzeichnungsbedürftigen Anordnung unterbleiben, ohne daß dafür
der Reichskanzler zur Verantwortung gezogen werden kann; und damit
sind Verordnungen der Kontrolle entzogen, deren Natur, anders als
die der Armeebefehle, gar nicht den Wegfall der Kontrolle nötig macht,
vielmehr eine Kontrolle erfordert.
Dritter Teil.
Das Riesultat.
I. Die Rechtsnatur der Militärgewalt.
Es ist in der Staatsrechtswissenschaft allgemein anerkannt, daß
sowohl das Reich, wie auch die Einzelstaaten militärische Funktionen
zu erfüllen haben, daß sowohl das Reich, wie auch die Einzelstaaten
an der Ausübung der Militärgewalt beteiligt sind. Im Zweifel ist
man aber über das Verhältnis, in dem die Reichsgewalt und die
Einzelstaatsgewalten bei Ausübung der Militärgewalt zueinander
stehen; und darum herrscht Streit über den Inhaber der Militärgewalt.
Der jetzige Standpunkt der Streitfrage ist der, daß man immer eine
der beiden Gewalten, entweder die Reichsgewalt oder die Einzelstaats-
gewalt, als den einzig berechtigten und ausschließlichen Inhaber der
Militärgewalt ansieht, welcher der anderen Gewalt übergeordnet ist
und von dem die andere Gewalt ihre Befugnisse ableitet; so plädiert
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