Full text: Die Teilung der Militärgewalt im Deutschen Bundesstaat.

Die Rechtsnatur der Militärgewalt. 69 
gegen den Landesherrn. Der Landesherr sei also der Träger der 
Militärgewalt; von ihm leite der Kaiser sein Befehlsrecht ab. 
Unsere Ansicht ist, daß die Dienstgewalt, ganz gleichgültig, wen 
man als ihren Inhaber ansieht!, zur Entscheidung der Frage, ob dem 
Reiche oder den Einzelstaaten die Militärhoheit zuzusprechen ist, über— 
haupt nicht in Betracht kommen kann. Die Dienstgewalt ist nur ein 
Teil der Militärgewalt; sie kann, da wir unter Militärhoheit die Ge- 
samtheit der Militärgewalt verstehen, unmöglich den Sitz der Militär- 
hoheit bestimmen. Die Frage kann allein dadurch entschieden werden, 
daß man alle in der Militärgewalt enthaltenen Hoheitsrechte auf ihren 
Inhaber hin untersucht und feststellt, ob dem Reiche allein oder auch 
den Einzelstaaten solche Hoheitsrechte zukommen. 
Auf diese Weise haben wir durch den zweiten Teil unserer Arbeit 
die Frage zu lösen versucht. Als maßgebend für den Sitz eines 
Militärhoheitsrechtes haben wir die Innehabung eines selbständigen, 
höchsten Befehlsrechts in Militärsachen angesehen und haben so ge- 
funden, daß das Reich (es hat die Gesetzgebungs= und Aufsichtsgewalt, 
die Kommando= und einen Teil der Regierungsgewalt) im Besitze 
von Militärhoheitsrechten sich befindet, daß aber auch den Einzelstaaten 
der Besitz von Militärhoheitsrechten nicht völlig abzusprechen ist; denn 
die Einzelstaaten sind höchste Inhaber des anderen Teiles der Re- 
gierungsgewalt. Die Regierungsgewalt ist nun wohl ein Teil der 
Vollziehungsgewalt, als solche vom Gesetz abhängig und dem Gesetz- 
geber, also dem Reiche, untergeordnet. Aber wie wir schon gesagt 
haben, geht die Vollziehungstätigkeit über bloße Gesetzeserfüllung 
hinaus?; nicht die Gesamtheit der Vollziehungsakte kann durch Gesetz 
firiert und festgelegt werden. Soweit die Vollziehungstätigkeit nicht 
durch Gesetz geregelt ist, ist auch die Vollziehungsgewalt nicht der 
Gesetzgebungsgewalt untergeordnet; vielmehr übt sie insoweit ihre 
Funktionen selbständig aus und leitet die Verwaltungstätigkeit der 
unteren Verwaltungsorgane durch „Verordnungen praeter legem“. 
Dementsprechend ist auch die militärische Regierungsgewalt, insoweit 
als die militärische Verwaltung nicht durch die Militärgesetze geregelt 
ist, selbständig. Die Einzelstaaten als Inhaber der Regierungsgewalt 
1 Näheres über den Inhaber der Dienstgewalt s. u. S. 74 ff. 
2 S. o. S. 4, 56.
	        
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