Die Rechtsnatur der Wehrpflicht. Der Fahneneid. 79
herrn treu zu dienen, damit zugleich seinem Landesherrn Gehorsam;
im Fahneneid wird also nicht nur dem Kaiser, sondern auch dem Landes-
herrn Gehorsam gelobt. Nun legt aber Laband entsprechend seiner
Ansicht, daß der Landesherr der alleinige Dienstherr ist und daß die
Gehorsamspflicht gegen den Kaiser ein Bestandteil der Treuverpflich-
tung gegen den Landesherrn sei, nur dem Gehorsamsgelöbnis gegen
den Landesherrn Wert bei und behauptet, daß das Gehorsamsgelöbnis
des Soldaten gegen den Kaiser schon im Gelöbnis gegen den Landes-
herrn enthalten sei und ganz überflüssigerweise besonders abgelegt würde.
Auch diese Auslegung des Fahneneides ist gekünstelt. Es ist nicht
anzunehmen, daß im Fahneneid ein völlig unnötiges und bedeutungs-
loses Gehorsamsgelöbnis abgelegt wird, um so weniger, als für eine
solche überflüssige Ablegung auch kein anderer Grund sprechen würde.
Vielmehr ist anzunehmen, daß beide Gehorsamsgelöbnisse rechtlich
relevant sind und zur Bekräftigung zweier nebeneinander bestehenden,
jedem Soldaten auferlegten Gehorsamspflichten dienen, einmal der
Gehorsamspflicht gegen den Landesherrn, dann der Gehorsamspflicht
gegen den Kaiser. Sonmit steht der Fahneneid mit unserer Ansicht,
daß die Dienstpflicht teilweise dem Kaiser bzw. dem Reiche und teil-
weise dem Landesherrn bzw. dem Einzelstaate geleistet wird, in Ein-
klang und bestätigt dieselbe.
Unsere Auffassung, daß der Soldat die Dienstpflicht zu einem
Teil dem Landesherrn und zwar dem eigenen Landesherrn leistet,
trifft auch dann zu, wenn er seine Dienstpflicht gar nicht im Kon-
tingente seines Landesherrn ableistet; sei es nun, daß er auf Grund
der militärischen Freizügigkeit oder weil sein Landesherr die ihm zu-
kommende Militärgewalt auf den König von Preußen übertragen hat,
in einem fremden Kontingente dient. Im zweiten Fall ist der Landes-
herr, da die Übertragung der Militärgewalt an Preußen nur eine
Übertragung der Ausübung ist, vom theoretischen Standpunkte der
eigentliche Inhaber der Militärgewalt geblieben; er ist der formelle
Dienstherr, in dessen Namen und als dessen Vertreter der preußische
König die Dienstleistungen entgegennimmt und das Befehlsrecht aus-
übt. Ebenso ist auch im ersten Fall der Landesherr als formeller
Dienstherr anzusehen. Dies wird bestätigt durch den Fahneneid, in
welchem der Dienstpflichtige seinem eigenen Landesherrn Treue und
Gehorsam gelobt, auch wenn er in einem fremden Kontingente dient.