Kriegsausbruch 55
Tätigkeit ein. Sehr bald wandten sich die Militär= und Zivilbehörden
der Heimat um Rat an den Generalstab als die einzig sachverständige
Stelle. Es entstand eine neue schwere Belastung der Obersten Heeres-
leitung. Der Chef des deutschen Nachrichtendienstes erhielt neben dieser
Aufgabe und der des aufkeimenden Pressedienstes als drittes großes
Arbeitsgebiet das der Leitung der Spionageabwehr auch im Kriege. Wie
in der Verbindung von Nachrichtendienst und Pressedienst ein gewisser
Vorzug lag, so war auch die enge Verbindung zwischen eigenem Nach-
richtendienst und Bekämpfung des feindlichen an sich organisatorisch
richtig. Aber auch hier wieder ist als Fehler festzustellen, daß die Lei-
tung bei der Obersten Heeresleitung lag, zumal diese sich außerhalb der
Heimat befand.
Beim Feinde lagen die Dinge auch hierin anders. Hier hatte die
Polizei nicht nur den deutschen Nachrichtendienst bekämpft, sondern
an dem des eignen Landes teilgenommen und ihn wesentlich unterstützt.
Unter den Polizeibeamten aller Dienstgrade war weitgehende Kenntnis
vom Wesen der Spionage vorhanden. Deöhalb verliefen die ersten Maß-
nahmen zum Schutze des Staatsgeheimnisses dort auch geräuschloser
und erfolgreicher als diejenigen in Deutschland, trotzdem auch dort die
Volksstimmung gegen den deutschen Nachrichtendienst aufgerufen, gleich-
zeitig aber von Kriegsbeginn an in die richtigen Bahnen geleitet wurde.
Der Axppell an die Volksstimmung galt weniger der Furcht vor einer
Gefahr, als der Absicht nationaler und Deutschland der Kriegsschuld
verdächtigender Propaganda. Die Kriegführung setzte vom ersten Tage
an mit bemerkenswerter Energie auch in Belgien ein. Dies zeigte sich
nicht nur in der vorbereiteten Teilnahme der Bevölkerung am Kampfe,
sondern auch im Vorgehen gegen den deutschen Nachrichtendienst. So
wurde ein Hamburger Kaufmann Ehrhardt, der vor Kriegsausbruch im
Auftrage desselben nach Antwerpen entsandt worden war, um dort
über das Verhalten Englands Nachrichten einzuziehen, vor Eintritt Bel-
giens in den Krieg ergriffen und — obgleich er weder gegen Belgien
noch gegen eine diesem bereits verbündete Macht etwas feindseliges
unternommen hatte — zum Tode verurteilt und erschossen. Er starb
wie ein Held als eines der ersten Kriegsopfer Deutschlands.
Tatsächlich waren Abwehrmaßnahmen weder in Frankreich noch in
Rußland notwendig, denn ein starkes Nationalgefühl ließ dort alle die
Verbindungen abreißen, die der deutsche Nachrichtendienst zu Ange-