Full text: Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg.

Der Pressedienst der Obersten Heeresleitung. 99 
  
  
Dieser Wechsel in der Leitung erfolgte, als der Reichskanzler 
Michaelis entschlossen war, durch Ernennung eines Pressechefs die 
Führung im Pressedienst in die Hand zu nehmen. Für den Ver- 
treter des militärischen Pressedienstes schien es in Zukunft weniger auf Er- 
fahrung in diesem Dienst selbst als auf eine überzeugende Vertretung der 
Bedürfnisse des Heeres anzukommen. Auch die Auskunftserteilung an 
die Presse über den Kriegsverlauf schien durch die Fronterfahrung des 
neuen Chefs erleichtert. — Der Pressechef des Reichskanzlers blieb jedoch 
mir eine vorübergehende Erscheinung, die Führerlosigkeit bestand fort, das 
Kriegspresseamt hatte weiter die militärischen Interessen allein zu vertreten. 
Hatte die O. H. L. bei Abgabe des Majors Deutelmoser im wesentlichen die 
eigene Berichterstattung aus der Heimat verloren, so hatte sie jetzt die 
Erfahrung ihres wesentlichsten Vertreters gegenüber der Presse ein- 
gebüßt. In beiden Fällen war die erwartete Führung durch die 
Reichsregierung nicht eingetauscht worden. Diese Erfahrungen bestimmten 
die O. H. L. in Zukunft zur Zurückhaltung gegenüber Vorschlägen auf 
Übernahme von beim Kriegspresseamt entstandener Dienstgebiete durch 
Zivilbehörden, besonders auf dem Gebiete der Zensur und des vaterlän- 
dischen Unterrichts. 
Gewonnen war Fronterfahrung für die Leitung des Kriegspresseamts. 
Sie durch einen abermaligen Wechsel aufzufrischen, verbot die notwendige 
Einarbeitung und die auch fernerhin notwendige Beherrschung des Presse- 
betriebes durch den Chef des Kriegspresseamts. Die innigere Verbindung 
des Kriegspresseamts mit dem Wesen der Front wurde durch häufigeren 
Wechsel der dem Chef zur Leitung unterstellten Generalstabsoffiziere gesucht. 
  
In Verbindung mit Erlaß des Gesetzes über den Kriegszustand war 
im Dezember 1916 der preußische Kriegsminister zum Militär-Oberbefehls- 
haber ernannt worden. Die Presse hatte in ihm eine Beschwerdestelle gegen 
die Anordnungen der Militärbefehlshaber, diese eine vorgeordnete Dienst- 
stelle gefundemn. Unter dem Druck des Parlaments entstanden, eröffnete 
die neue Stelle dem Parlament und damit den Parteien Einfluß auf die 
Kriegführung. Die H. H. L. war an den Verhandlungen nicht beteiligt 
worden. Sie verwahrte sich gegen jedes Einspruchsrecht gegen diejenigen 
Forderungen, die sie an die Presse im Interesse der Kriegführung zu 
stellen habe. 
Stellung und Tätigkeit der Oberzensurstelle waren durch Ernennung 
des Obermilitärbefehlshabers nicht berührt. Besprechungen mit den Leitern 
der Presseabteilungen bei den Militärbefehlshabern wurden wiederholt. 
Auch ihnen gegenüber verlangte die HO. H. L. unbedingte Durchführung der 
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