110 Der Pressedienst der Obersten Heeresleitung.
Pressechef des Reichskanzlers bezeichnete ein solches als hellen Wahnsinn
und verhinderte es damit. Der Generalfeldmarschall erachtete den Vorgang
für ernst genug, persönlich beim Reichskanzler vorstellig zu werden. Er
wies darauf hin, doß den verhängnisvollsten Folgen für die Kriegführung
Tür und Tor geöffnet werde. Der Reichskanzler erkannte die militärische
Schädlichkeit des Vorgangs an, aber auch er bezeichnete ein Verbot als
politisch schädlich. Der Generalfeldmarschall betonte noch einmal die
militärischen Interessen. Er erklärte, daß er den Zeitungen nicht un-
nötig Fesseln angelegt wissen wollte, und schrieb: „Die Auffassung, daß die
Gesinnung unseres in schweren Kämpfen und Nöten des Krieges be-
währten Volkes auch in der großen Menge der sozialdemokratischen Kreise
noch heute gut und vaterlandstreu ist, habe ich von jeher vertreten. Gerade
auf diesem Vertrauen zu unserm Volk beruht aber meine Forderung,
einschüchternden Einflüssen nicht nachzugeben“. Abschrift dieses Schrift-
wechsels schickte der Generalfeldmarschall an den Kriegsminister, der „als
Obermilitärbefehlshaber berufen sei, der drohenden Gefahr entgegen-
zutreten und diese Forderung bei Reichs= und Staatsbehörden, auch vor
den Parlamenten, zu vertreten"“. Der Generalfeldmarschall fügte hinzu:
„Darüber, daß die Regierung entschlossen ist, unter allen Umständen eine
Verletzung der Interessen der Kriegführung nicht zu dulden, darf nirgends
ein Zweifel bestehen. Nur bei diesem unerschütterlichen Entschluß und bei
gemeinsamer Durchführung werden wir der Schwierigkeiten Herr werden,
die sich einer siegreichen Beendigung des Krieges entgegenstellen können
und die uns zu bereiten unsere Gegner klar entschlossen sind“.
Während der Generalfeldmarschall so zu mahnen und zu fordern ge-
zwungen war, bildete sich auf feindlicher Seite der Oberste Kriegsrat und
trat mit souveräner Gewalt hinter den hergestellten einheitlichen Ober-
befehl in französischer Hand. —
Der Reichskanzler blieb bei weiteren Vorgängen auf dem Standpunkt
stehen, daß der Kampf in der Presse sich von Zensurmaßnahmen unbeein-
trächtigt vollziehen müsse. Auch die O. H. L. hielt nach wie vor die Zensur
für das letzte und ein schlechtes Mittel, den politischen Kampf einzudämmen.
Ihre Forderung, auf die Parteien einzuwirken und dadurch Maßnahmen
der Zensur gegen die Presse vorzubeugen, zu erfüllen, war die Regierung
anscheinend zu schwach. Dennoch ließ der Generalfeldmarschall in dieser
Forderung nicht nach. Als die „Frankfurter Zeitung“ am 21. Februar
schwersten Kampf im Innern ankündigte, in dem es keine burgfriedlichen
Rücksichten mehr geben solle und der ohne Rücksicht auf den Krieg zum
Austrag gebracht werden solle, schrieb er dem Kanzler: „Es liegt mir fern,
mich in den Parteikampf einzumischen. Aber der Austrag dieses Kampfes
darf nicht Politik in das Heer tragen und seine Kampsfkraft zerstören, die