6 Der Nachrichtendienst der Obersten Heeresleitung.
lichen Energie durch und zerschnitt damit auch die über England nach
Nordfrankreich laufende Verbindung. Gegen Frankreich und das englische
Heer in Frankreich blieb also der einzige Zugangsweg die Schweiz. Wäh-
rend Deutschland dem feindlichen Nachrichtendienst nach allen Seiten aus-
gedehnte Landgrenzen abzusperren hatte, konnte der französische Grenz-
schutz sich auf die Schweizer Grenze beschränken. Dort verdichtete er sich
in fast vollkommener Weise, machte die Sympathien der Westschweiz mobil
und legte damit vor den Grenzwall ein ausgedehntes Glacis. Er schob sich
aber auch bis an die deutsch-schweizer Grenze vor. Jeder Verkehr aus
Deutschland wurde schon an dieser Grenze überwacht, Reisende nach und
aus Frankreich wurden schon von dort den französischen Grenzbehörden
angemeldet. Die ÜMberwachung des Verkehrs in Frankreich, nicht nur in
der zone des opérations, war außerordentlich scharf. Eine strengere Ge-
setzgebung als in Deutschland wirkte abschreckend und vorbeugend. Hinter
allem stand der entschlossene Wille einer einheitlichen Staatsgewalt, die
von einer stark national gesinnten Bevölkerung unterstützt wurde. Wohl
war es dem deutschen Nachrichtendienst im Frieden gelungen, auch ein-
zelne Verbindungen zu französischen Staatsangehörigen anzuknüpfen.
Aber nicht ein einziger war da, der nicht bei Kriegsausbruch zur vater-
ländischen Pflicht zurückkehrte. Und es hat jahrelang gedauert, ehe sich Ver-
räter im feindlichen Lager fanden. Als sich der erste fand, hatte die Zahl
der wegen Unterstützung des feindlichen Nachrichtendienstes verurteilten
Deutschen schon 30 überschritten. Die Gegner hatten auch nicht auf die
Aufrechterhaltung des Verkehrs mit dem angrenzenden Ausland die Rück-
sicht zu nehmen wie Deutschland. Sie hatten den Rücken frei.
Rußlands bester Schutz waren die Ausdehnung des Reiches, die ge-
ringen Verkehrsmöglichkeiten, die Länge der Front und ihre beiderseitige
Anlehnung. Über neutrales Ausland lief nur der dünne, leicht kontrollier=
bare Nachrichtenweg durch Schweden. Nachrichten aus Rußland waren
deshalb meist von den Ereignissen überholt.
Rumänien, Serbien, Italien waren in erster Linie Interessengebiet
des österreichisch-ungarischen, Saloniki des bulgarischen, der Kaukasus,
Persien und Agypten des türkischen Nachrichtendienstes. Ihre Organi-
sation und Ergebnisse waren gering. Das Interesse der deutschen O. H. L.
an den auf jenen Kriegsschauplätzen befindlichen feindlichen Truppen
wuchs. Ihr Nachrichtendienst mußte auch dorthin ausgedehnt werden.
Von der richtigen Erkenntnis der Feindlage war die Zuteilung deutscher
Hilfstruppen in hohem Maße abhängig.
Der Frieden im Osten brachte für den Nachrichtendienst keine Ent-
lastung. Die militärischen Vorgänge in Rußland bedurften weiter an-
dauernder Beobachtung.