Der Feind. 157
Vergebung hoffen, wenn sie eine Familie opferten, die gewiß allgemein
unbeliebt ist und nur durch den Terror regiert. — Die Stunde ist für die
Regierungen des Verbandes gekommen, wo sie feierlich erklären müssen,
daß sie niemals mit dieser Dynastie verhandeln werden. Dann wird das
deutsche Volk wissen, welches das erste Hindernis ist, das es vom Frieden
trennt.“ In England schrieben u. a. der „Daily Expreß“: „Wenn das
deutsche Volk schnellen Frieden und Freiheit wünscht, muß es seine Be-
stimmung sofort selbst in die Hand nehmen.“ Der „Globe“: „Wenn das
deutsche Volk erst einmal von der Militärkaste befreit ist, dann kann man
ihm annehmbare Friedensbedingungen anbieten.“ Als Zweifel laut
wurden, ob dieses Verfahren das richtige sei und nicht etwa nur dem
deutschen Volk den Nacken steifen werde, schrieb „The World“: „Wir be-
kämpfen nicht die Deutschen allein. Würde eine solche Erklärung auch
die Völker Österreich-Ungarns, die Türken und die Bulgaren ermutigen?
Nein! Sie würde ihnen vielmehr klarmachen, daß der Hauptfeind in
Berlin sitzt. Sachsen, Bayern und Württemberger werden nicht gewillt
sein weiterzukämpfen, um die Hohenzollerndynastie zu erhalten.“"
Der Feind scheute sich nicht, die Ziele seiner Propaganda offen zu
erörtern. Zahlreich waren die Zeitungsartikel, mit denen er sie in die
Tat umsetzte. Massenhaft erschienen auch die zur Propaganda verwen-
deten Flugblätter, und besonders schamlos waren die zur Aufhetzung gegen
und in Deutschland verwendeten bildlichen Darstellungen.
Während die antimonarchische Propaganda beim Kriegseintritt Ame-
rikas geschlossen einsetzte, wurde im Jahre 1918 gleichzeitig mit der Ver-
einheitlichung des militärischen Oberbefehls auf feindlicher Seite eine
Propaganda fühlbar, welche die Zertrümmerung des Vertrauens zur
deutschen militärischen Führung zum Ziel hatte und bald großen Umfang
annahm. Sie galt dem General Ludendorff. An das Vertrauen, das
der Generalfeldmarschall v. Hindenburg genoß, wagte man sich noch nicht
heran. Es war dem Feind nicht schwer zu erkennen, daß dieses Ver-
trauen im Herzen des deutschen Volkes wurzelte und nicht leicht auszu-
rotten war. Er konnte sein Ziel leichter erreichen. Denn auch das hatte
er erkannt, daß die treibende Kraft, die Seele des Generalstabs, wie der
Generalfeldmarschall an seinem 70. Geburtstag ihn selbst genannt hatte,
der General Ludendorff war. Blieb der Heros des Volkes, Hindenburg,
von Verleumdung und Angriff verschont, so gewann das, was gegen Kaiser
und Ludendorff geschah, an Glaubwürdigkeit und Wirkung. So ist die
auffallende Tatsache zu erklären, daß der Generalfeldmarschall in der ge-
samten feindlichen Propaganda in Wort, Bild und Schrift kaum erwähnt
worden ist.
Der Nachrichtendienst, der Abwehrdienst und das Kriegspresseamt