Full text: Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg.

Der Feind. 161 
  
Behörden anscheinend die Presse. Das Kriegspresseamt hat ihr zahlreiches 
Material zugeleitet, um sie zur selbständigen Gegenarbeit auszurüsten. 
Die Blätter, welche internationalen Gedanken huldigten, schieden von 
selbst aus. Es waren dies aber gerade diejenigen, welche fast allein im 
Ausland verbreitet und beachtet waren. Die Blätter anderer Richtung 
konnten, von der Regierung nicht angeleitet, keine einheitliche Wirkung 
erzielen. Der Wille zu einer Propaganda gegen den Feind und bei Neu- 
tralen durch die Presse hätte die Einseitigkeit aufwiegen können, die in 
der ausschließlichen politischen Leitung der deutschen Presse durch die Nach- 
richtenabteilung des Auswärtigen Amts lag. Ein Entschluß in dieser 
Richtung war um so notwendiger, als wir nicht, wie die feindliche Propa- 
ganda, über Zeitungen im Ausland verfügten, jedenfalls nicht in an- 
nähernd gleichem Umfang und nicht über Zeitungen von gleichem Einfluß. 
Anstatt dessen blieb das Ziel der politischen Presseleitung ein durchaus 
negatives: Schädigungen der Politik durch die Presse zu verhindern. 
Der Feind behauptet, mit seiner gegen unsere Front gerichteten 
Propaganda die unfsrige nachgeahmt zu haben. Er begeht hiermit eine 
bewußte Unwahrheit, um den moralischen Makel zu mildern, der seinem 
Siege anhastet. Die feindliche Frontpropaganda begann auf der West- 
front, und zwar bald nach Einsetzen des Stellungskrieges. Sie ist von 
uns an der Ostfront gegen die russische Armee zur Zeit ihrer Revolutio- 
nierung nachgeahmt und damit erwidert worden. Es ist jedoch dabei 
vermieden worden, die deutsche Gegenpropaganda mit den Ausschwei- 
fungen zu belasten, die der feindlichen eigentümlich waren, und gegen die, 
wie ich schon erwähnte, bei der O. H. L. Abneigung bestand. Im übrigen 
waren es nicht moralische Bedenken, die uns hinderten, gegen die feindliche 
Front eine gleich erfolgreiche Propaganda zu treiben, sondern sehr nüch- 
terne praktische Widerstände. Es fehlte den feindlichen Heeren gegenüber 
an Angriffspunkten, wo die Propaganda einsetzen konnte, wie der Feind 
sie in unseren inneren Zuständen fand. Es fehlte die politische Propa- 
ganda als Vorläufer der militärischen. Nur die Vlamenbewegung und 
die Friedensworte des Präsidenten Wilson boten Anknüpfungspunkte. 
Auf diesen Grundlagen wurde im Frühjahr 1918 eine Frontpropaganda 
gegen die belgischen und die amerikanischen Truppen eingeleitet. Aber 
auch ihr waren enge Grenzen gezogen, weil sie bei unserer Lage nicht den 
geringsten Zweifel an unserer Bereitschaft zum Frieden beim Feinde auf- 
kommen lassen durfte. Der Feind kannte diese Grenze nicht. Er sprach 
zu unseren Truppen nicht vom Frieden, sondern vom bevorstehenden Sieg 
der Entente. Die Propaganda gegen die Belgier besonders geschah nur 
mit stillem Widerstand unserer politischen Leitung. Für eine Propaganda 
gegen die französischen Truppen boten sich einige kriegsgefangene fran- 
Nicolat, Nachrichtendienst, Preffe und Volksstinumung im Welitrieg. 11
	        
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