Die Presse. 167
allen allgemeinen Anschuldigungen ist es notwendig, bestimmte Personen
oder Gruppen zu nennen. Die Verdienste der Mehrzahl dürfen durch die
Schuld einzelner nicht verdunkelt werden.
Der Mehrheit der Presse schuldet die Kriegführung Dank. Dies ist
wiederholt nach Abschluß bestimmter Abschnitte im militärischen Verlauf
des Krieges durch den Chef des Kriegspresseamts im Auftrage der O. H. L.
anerkannt worden. Auch General Ludendorff hat es bei seiner Be—
sprechung mit dem Presseausschuß im Juli 1917 ausgesprochen. Es blieb
bis zum Kriegsende bei dieser Anerkennung. Der überwiegende Teil der
Presse hat das Vertrauen des Generalstabs erwidert und gleichfalls dig
Arbeit des militärischen Pressedienstes anerkannt.
Über Wesen und Aufgabe der Presse sind die Ansichten geteilt. Ich
habe auch in der Presse hierüber keine einheitliche Auffassung gefunden.
Sie war auch zwischen militärischer und politischer Kriegsleitung, wie
unter den einzelnen Behörden, verschieden. Das Schlagwort von pder
Freiheit der öffentlichen Meinung fand nur in der deutschen Objektiovität
Boden. Es hat viel Unheil angerichtet. Während weite Gebiete des
öffentlichen Lebens unter dem Druck der Kriegsverhältnisse der Zwangs-
wirtschaft unterworfen wurden, blieb unter dem Einfluß dieses Schlag-
wortes die Handelsware der öffentlichen Meinung der freien Bewirt-
schaftung durch die Parteien oder einzelne Zeitungen überlassen. Freiheit
der Presse wurde mit Freiheit der öffentlichen Meinung verwechselt. Es
bestand nicht die notwendige Klarheit über die Frage, ob die Presse die
Stimmung des Volkes wiedergibt oder sie herbeiführt.
Das erstere behaupteten vorzugsweise diejenigen Kreise, welche sich
die Freiheit sichern wollten, den Geist der Entschlossenheit zu zermürben,
und welche den Blick für den Vernichtungswillen des Feindes trübten.
Diejenigen Zeitungen dagegen, welche auf die Folgen eines Erliegens hin-
wiesen, bekannten sich damit zu dem Standpunkt, den auch der Pressedienst
der H. H. L. teilte, daß die Presse berufen und verpflichtet sei, die Volks-
stimmung im Sinne kraftvoller Kriegführung zu beeinflussen. Der Welt-
krieg war der erste Krieg in einer Zeitepoche, in der die Presse eine Macht
darstellte. Wie alle Macht im Kriege, gehörte auch diese in die Hand der
Reichsleitung. Ich habe dargestellt, wie die O. H. L. ständig bemüht war,
diese zur Üübernahme der ihr gebührenden Macht zu bewegen.
Lag bei Kriegsbeginn der feste Wille einer entschlossenen Kriegs-
regierung vor, eine der feindlichen, wenigstens im Innern, ebenbürtige
deutsche Presse in die Hand zu bekommen, so war ihr die Gefolgschaft der
weitaus überwiegenden Mehrzahl deutscher Zeitungen gewiß. Von den
rund 3000 deutschen Tageszeitungen im Kriege nannten sich 1450 parteilos,
275 konservativ oder freikonservativ, 214 national, 216 nationalliberal,