170 Die Presse.
landes mitzuwirken. Aber Parteidisziplin und radikale Elemente ge—
wannen das Übergewicht. Für die sozialdemokratische Presse trifft die Par-
teiführer und einzelne radikale Schrittmacher die Schuld.
Mit der Spaltung der Sozialdemokratie wurde die linksradikale Be-
wegung in Bremen, Hamburg und anderen Küstenstädten, sowie die radi-
kal-sozialistische Bewegung in Leipzig und Braunschweig von besonderer
Bedeutung. Die Bewegung an der Küste führte die Bremer Wochenschrift
„Arbeiterpolitik“. Sie war in glänzendster Weise redigiert. In ihr er-
schienen trotz Vorzensur eindrucksvolle Artikel führender Spartakisten und
Bolschewisten. Insbesondere stand Radek in dauernder Verbindung mit
den jeweiligen Leitern der Zeitschrift. Zu den Lesern der Zeitschrift gehör-
ten in weitem Umfange die Angehörigen der Reichsmarine. Sie leistete
der nebenher gehenden Aufreizung in der Marine Vorspann. Der geistige
Mittelpunkt der radikalen Bewegung in Mitteldeutschland war die in
Leipzig erscheinende „Leipziger Volkszeitung“.
Als im Jahre 1918 die russische Botschaft in Berlin immer mehr der
Herd der revolutionären Bewegung in Deutschland wurde, in der sich die
Führer der deutschen unabhängigen Sozialdemokratie trafen und in der
sogar einzelne von ihnen dauernd angestellt waren, richtete sie mit Ge-
nehmigung des Auswärtigen Amtes die russische Telegraphenagentur
„Rosta“ in Berlin ein. Der russische Botschafter Joffe nahm dadurch enge
Fühlung zur unabhängigen sozialdemokratischen Presse, besonders auch
zu dem Leiter der Bremer „Arbeiterpolitik“, und ließ noch einen Legations=
rat als Leiter der revolutionären Propaganda nach Berlin kommen. Die
Tätigkeit der „Rosta“ wird dadurch gekennzeichnet, daß der spätere Polizei-
präsident von Berlin, Eichhorn, in ihr längere Zeit gegen gute Bezahlung
tätig war. Der Generalstab hatte, vom Polizeipräsidenten v. Oppen unter-
stützt und auf Grund des vorliegenden Beweismaterials ein Einschreiten
gefordert. Dies scheiterte am Auswärtigen Amt. Der überragende Einfluß
des Auswärtigen Amts auf den pressepolitischen Zustand in Deutschland
trat in diesen Vorgängen in sein letztes verhängnisvolles Stadium.
Nicht anders verlief die Entwicklung in der mehrheitssozialistischen
Presse. Seit dem Herbst 1917 mehrten sich in ihr die Anzeichen, welchem
Ziel sie zustrebte. Auch war nicht mehr zu verkennen, daß die Arbeit, die
Stimmung in der breiten Masse zu unterwühlen, Erfolg hatte. Die wirt-
schaftlichen Vorwände, unter denen Streiks an den verschiedensten Stellen
Deutschlands ausbrachen, waren unschwer als Vorwand für die politischen
Bestrebungen zu erkennen. Die Zeit der Brest-Litowsker Friedensverhand-
lungen war entscheidend, ob es der Regierung gelingen werde, der sozial-
demokratischen Presse Herr zu bleiben. Man gab ihr aus Rücksicht auf die
russischen Friedensunterhändler nach. Es wurde dabei übersehen, daß