Full text: Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg.

Die Presse. 173 
  
lich erführen, daß sie die Friedensresolution nur mit Einschränkung und 
unter Vorbehalt gebilligt habe, daß sie die Annexion von Kurland gut- 
heiße und dem Frieden von Brest-Litowsk zustimme. 
Fester, aber darum nicht weniger schädlich, war von Anfang an das 
„Berliner Tageblatt“. Wenn die Regierung und besonders die auswärtige 
Politik der von ihnen oft betonten öffentlichen Meinung Rechte einräumen 
wollten, so durften sie das „Berliner Tageblatt" nicht als deren Verkünderin 
ansehen, wie es tatsächlich geschah. Im März 1918 brachte das Auswärtige 
Amt von sich aus einen Bericht der deutschen Gesandtschaft in Kristiania 
zur Kenntnis der HO. H. L., in dem ausgeführt wurde, daß die Frage ge- 
prüft sei, ob das „Berliner Tageblatt“, wie von einer der O. H. L. nicht be- 
kannten Seite anscheinend behauptet worden war, Schaden an der deutschen 
Sache im Auslande anrichte. Diese Frage wurde von der Gesandtschaft 
verneint. Im Gegenteil wurde ausgeführt, daß dieses Blatt sich in allen 
ausländischen Kreisen des größten Ansehens erfreue, daß es keinen Schaden 
anrichte, sondern vielmehr versöhnlich wirke. Es sei nützlich, weil es ein 
Gegner des U-Bootkrieges, international, demokratisch und für einen Ver- 
zichtfrieden sei. — Die Zusendung dieses Berichtes geschah ohne Vorgang 
und ohne eigene Stellungnahme des Auswärtigen Amtes. Es mußte also 
angenommen werden, daß es sich mit der Auffassung der Gesandtschaft 
identifizierte und daß auch die O. H. L. für diese Auffassung geneigt gemacht 
werden sollte. Obgleich eine rein politische Frage, war damit doch eine 
Stellungnahme der H. H. L. notwendig geworden. Der Generalfeldmar- 
schall brachte den Vorgang dem Reichskanzler zur Kenntnis und sprach 
seine eigene Meinung dahin aus, daß die Eigenart des „Berliner Tageblat- 
tes“ weder die in Deutschland herrschende Gesinnung wiedergebe noch daß 
der von ihm ausströmende Geist für Deutschland günstig sei, daß es nicht 
gut für Deutschland wirken könne, wenn gegen den U--Bootkrieg Stimmung 
gemacht werde, solange dieser weitergehe, daß vielmehr Notwendigkeit und 
Recht des U-Bootkrieges dem Ausland verständlich gemacht werden 
müßten, anstatt daß das Ausland in seiner Auffassung vom U-Bootkrieg 
gestärkt und dadurch die deutsche Kriegführung geschädigt werde. Auch 
darin, daß wir dem Ausland als international und als im Sinne des „Ber- 
liner Tageblatts“ demokratisch vorgetäuscht würden, sah der Generalfeld- 
marschall eine Irreführung der öffentlichen Meinung des Auslandes, die 
um so schädlicher wirken müsse, je länger wir es verabsäumten, offen für 
die Eigenart deutschen Geistes, um dessen Erhaltung wir kämpften, einzu- 
treten. Schließlich war er der Ansicht, daß ein Blatt, das schon vor Be- 
ginn von Friedensverhandlungen von einem Verzichtfrieden redete, die po- 
litische Reichsleitung zu ihren schärfsten Gegnern haben müsse, wie das bei 
unseren Gegnern der Fall sei.
	        
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