Die Regierung und die Parteien. 187
Juli 1916 Einspruch gegen die Berichterstattung des Kriegspresseamts
erhob, die ihm scharfmacherisch schien und ihm Forderungen der O. H. L.
nach vorbeugenden Maßnahmen eintrug. Noch am 21. August 1918 mußte
ich es mir bei einer Sitzung in Berlin gefallen lassen, daß mir vom Ver-
treter des Kriegsministeriums gesagt wurde, ich sei als Pessimist bekannt,
als ich unter Hinweis auf die vorliegenden Zersetzungserscheinungen durch-
greifende Anordnungen im Auftrage der O. H. L. verlangte. Ich glaube,
daß auch die zur Entlassung des Generals Ludendorff führenden Ent-
schließungen Seiner Moajestät des Kaisers von einer den tatsächlichen Ver-
hältnissen nicht entsprechenden Sorglosigkeit seiner verantwortlichen Be-
rater in Berlin beeinflußt waren.
Diese Sorglosigkeit oder Hilflosigkeit trat besonders in bezug auf die
von der russischen Botschaft ausgehende revolutionäre Wühlarbeit beim
Reichsamt des Innern zutage, obgleich die O. H. L. bei einer Besprechung
Material der politischen Abteilung, der Abteilung III B, und durch Ver-
treter der Front unterbreiten ließ.
Die Zurückhaltung des Kriegsministers als Obermilitärbefehlshabers
der Heimat und des Reichsamts des Innern gegen rücksichtslose Anwendung
der vollziehenden Gewalt bei der Presseaufsicht entsprang gleichfalls der
Gebundenheit der Regierung an die Mehrheitsparteien. Die Zurückhaltung
nahm zu, je heftiger der parlamentarische Widerstand gegen eine starke
Kriegführung wurde. Die Tatkraft nahm ab, während die Gefahr und die
Schwierigkeit der zu lösenden militärischen Aufgaben wuchsen. ·
Es fehlte uns der große Organisator des Krieges. In diesem Kriege,
der wie nie zuvor einer die tiefsten Wurzeln des gesamten Staats= und
Volkslebens erfaßte, konnte dies nicht der Kriegsminister sein. Die Krieg-
führung war über den Rahmen des Militärischen weit hinausgewachsen.
Der Organisator des Krieges konnte nicht unter dem leitenden Staatsmanne
stehen, er mußte es selber sein.
Aber schon unter dem Reichskanzler v. Bethmann gewann man — ab-
gesehen von anderem — den Eindruck, daß er hierfür über die Einzelheiten
der Kriegführung nicht so gründlich unterrichtet war wie die militärischen
Führer, zum mindesten die Generale v. Falkenhayn und Ludendorff. Es
war dies auch eine Frage der Arbeitsleistung. Mag diese beim ersten
Kriegskanzler vorhanden gewesen sein, so fehlte sie bestimmt dem betagten
und schwerleidenden Reichskanzler Graf Hertling. Als führender Mann
kann dieser, bei allen sonstigen Vorzügen seiner Persönlichkeit, nicht an-
gesehen werden.
Unter diesen Verhältnissen und bei der starken Belastung, die der
Krieg den verantwortlichen politischen wie militärischen Führern brachte,
sowie bei der räumlichen Trennung, in der sie arbeiteten, war es von