Full text: Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg.

Die Regierung und die Parteien. 199 
  
  
verführte die Mitläufer der auf den Umsturz hinarbeitenden Kräfte zur 
Fortführung ihres leichtsinnigen Verhaltens. Sie hielten die Front für 
stark genug, um hinter ihr den Kampf zur Erreichung ihrer politischen 
Ziele fortzusetzen. Während die Sozialdemokratie planmäßig die Wider- 
standskraft der Front zermürbte, lehnten sie es ab, die H. H. L. in der 
Stärkung der Front zu unterstützen. Daher das Erschrecken, als die O. H. L. 
erklären mußte, das Heer sei mit seiner Kraft am Ende und daher der 
Ruf „wir sind belogen"“. Dem Feinde standzuhalten, waren wir stark 
genug, wenn die Forderungen der O. H. L. erfüllt wurden. Die Unfähig- 
keit, den Kampf zu einem guten Ende zu führen, wenn die Front nicht 
wieder geschlossen gegen den Feind genommen wurde, hatte sie aber längst 
und mehr wie genug betont. 
Den Tiefstand nationaler Widerstandskraft gegen den Vernichtungs- 
willen des Feindes erreichten wir, als wir begannen, uns seiner Forderung 
auf Abdankung des Kaisers zu beugen. Wie dieses letzte Zeichen unserer 
Schwäche auf das Ausland wirkte, sagte mir ein hochstehender Neutraler: 
„Deutschlands Heer hat sich für immer die Bewunderung der Welt gesichert. 
Das deutsche Volk aber verachten wir, seitdem es bereit ist, seinen Kaiser 
zu opfern, um sich einen besseren Frieden zu erkaufen.“ Diese Verachtung 
verdankt das deutsche Volk den Führern, die es diesem Ziel entgegenführ- 
ten. In der Revolution brach nicht das alte System, sondern das System 
zusammen, das uns durch die Mehrheitsbildung und eine Parteiregierung 
gebracht worden war. 
Wie falsch auch die Rechnung auf das Opfer unseres Kaisertums und 
damit die Preisgabe unserer geschichtlichen Entwicklung war, haben die Er- 
eignisse erwiesen. Es blieb nichts von dem übrig, womit die regierenden 
Parteien einen Deutschlands bisheriger Stellung in der Welt und Ge- 
schichte würdigen Frieden erkaufen zu können meinten. 
Unser offensichtlicher politischer Zerfall führte den schnellen Zusammen- 
bruch auch bei unsern Verbündeten und ihr Suchen nach neuer eigener po- 
litischer Anlehnung herbei. Die Waffenstreckung des bulgarischen Heeres 
war kein militärischer Sieg der Entente. Das bulgarische Heer legte einfach 
die Waffen hin und ging nach Hause. Auch Österreich-Ungarn wollte 
nicht mehr kämpfen, schon längst, ehe Deutschland zusammenbrach. 
Es war dies die Folge davon, daß der Wille zum Kampf im deutschen 
Volke planmäßig zerbrochen war. Die Entwicklung der Verhältnisse in 
Deutschland als führendem Staat unter den Mittelmächten zog die bei den 
Verbündeten von selbst nach sich. Das Ausscheiden unserer Verbündeten 
wieder trug zu unserm militärischen Zusammenbruch bei. 
Auch in Belgien, Polen und Rumänien äußerten sich die Folgen der 
Zerfahrenheit unserer inneren Verhältnisse, was um so gefährlicher war,
	        
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