202 Die Oberste Heeresleitung
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kur des ersten war die große Generalstabsreise gewesen, die des zweiten
wurde der Krieg.
Ich selbst als Chef des Nachrichtendienstes, zu dem ich im Jahre 1913
ernannt worden war, wurde von Anfang Juli bis Mitte August beurlaubt.
Erst die ernsten Nachrichten aus Rußland und die vorzeitige Rückkehr des
Generalobersten v. Moltke veranlaßten am 25. Juli auch den Abbruch
meines Urlaubs. Nachrichtendienst und Generalstab waren durch die poli-
tischen Krisen der letzten Jahre an bedrohliche Nachrichten gewöhnt. Es
herrschte deshalb im Generalstab trotz angestrengter Arbeit volle Ruhe.
Durch die militärischen Vorgänge in Rußland bekam diese politische Krise
allerdings einen sehr ernsten Hintergrund. Am 26. Juli wurde daher das
Einsetzen des vorbereiteten Kriegsnachrichtendienstes befohlen. Die ein-
kommenden Nachrichten bestätigten die heraufziehende Kriegsgefahr.
Dennoch glaubte ich bis zum 31. Juli nicht an den Ausbruch des Krieges,
weil ich Zeuge war von dem Willen und Streben der verantwortlichen
Stellen, ihn zu vermeiden, und besonders von der schweren Verantwor-
tung, mit der General v. Moltke rang. Erst am Morgen dieses Tages ließ
ich meine Familie vom Urlaubsort nach Berlin kommen.
Die Verteilung der Geschäfte entsprach schon damals derjenigen im
Kriege. III B hatte die Nachrichten zu beschaffen. Ihre Beurteilung und
Verarbeitung erfolgte durch die russische und die französische Abteilung.
Die Angelegenheiten des deutschen Heeres wurden bei der 2., der Ope-
rationsabteilung, bearbeitet. Von den damaligen Mitarbeitern des Ge-
neralstabschefs ist der Chef der russischen Abteilung, Oberst Graf v. Posa-
dowski-Wehner, an der Ostfront gefallen. Der Chef der französischen Ab-
teilung, Oberst Hentsch, ist den Anstrengungen des Krieges in Rumänien
erlegen. Der Chef der Operationsabteilung, Oberst Tappen, als solcher
Nachfolger des Obersten Ludendorff, bekleidete diese Stelle bis zur Über-
nahme der O. H. L. durch den Generalfeldmarschall. Bei Kriegsausbruch
trat der erste Berater des Generalobersten v. Moltke, Oberquartiermeister
Graf Waldersee, mit dem Chef der russischen Abteilung zum Oberkom-
mando der gegen Rußland aufgestellten Heeresteile. Die russische und die
französische Abteilung wurden unter dem Obersten Hentsch als Abteilung
für fremde Heere vereinigt.
Am 31. Juli ließen die aus Rußland einlaufenden Nachrichten keinen
Zweifel mehr, daß Rußland in vollem Umfange, also auch gegen Deutsch-
land, mobilmachte. Der Generalstab zögerte mit der Erkenntnis bis zum
äußersten. Ich erinnere mich mit Stolz des im Nachrichtendienst sich be-
währenden verantwortungsfreudigen Geistes, der sich in der Meldung
eines an der Ostgrenze befindlichen Nachrichtenoffiziers ausdrückte: „Ich
übernehme die volle persönliche Verantwortung, daß Rußland auch gegen