208 Die Oberste Heeresleitung.
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damit die Geschäfte des Feindes besorgt wurden. Die großen Fragen des
Krieges, die letzten Endes hinter der Meinungsverschiedenheit unserer
Führer standen, mußten zwischen diesen entschieden und durften nicht
Gegenstand versteckter Wühlarbeit werden, sollte die Volksstimmung nicht
schweren Schaden leiden.
Dieser Standpunkt widersprach nicht der Verehrung, welche die Führer
im Osten auch im Großen Hauptquartier genossen. Ich bin in dieser Zeit-
spanne wiederholt beim Oberbefehlshaber Ost gewesen, um ohne Vorwissen
des Generals v. Falkenhayn die Vorgänge und ihre Bedeutung für die
Volksstimmung darzulegen und mir die Ermächtigung zu erbitten, eine über
sachliche Meinungsverschiedenheit hinausgehende persönliche Gegnerschaft
abstreiten zu können, soweit sich mir dazu Gelegenheit bieten würde. General
Ludendorff ermächigte mich, in des Generalfeldmarschalls und in seinem
Namen meiner Ansicht entsprechend zu handeln. Er hob auch besonders
die Gefahr hervor, die dem monarchischen Gedanken durch die Unter-
stellung drohte, daß Seine Majestät der Kaiser aus Gründen persönlicher
Art oder aus Eifersucht die Berufung des Generalfeldmarschalls unterlasse.
Die Möglichkeit, den Weg der mündlichen Aussprache auch zum dritten
Faktor, der politischen Reichsleitung und besonders dem Auswärtigen Amt,
zu finden, war geringer. Es fehlte der gemeinschaftliche dienstliche Boden
und gerade auch in diesem Falle das gemeinschaftliche sachliche Interesse.
Die Anzeichen, daß die politischen Stellen einen Wechsel in der Obersten
Heeresleitung betrieben, waren zu zahlreich.
Die Berufung des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg und des Ge-
nerals Ludendorff an die Spitze des Generalstabs wurde allgemein, auch
von denen, die bis dahin zum General v. Falkenhayn gestanden hatten, mit
derjenigen Wärme und Zuversicht begrüßt, die beide Feldherren sich durch
ihre Taten im Osten erworben hatten. Die Volksstimmung einte sich fast
wieder zur Höhe des 4. August. Sie war aber anspruchsvoller geworden.
Mit dem Generalfeldmarschall v. Hindenburg und dem General
Ludendorff war die letzte und einzige Autorität, über die wir verfügten,
und die der Kampfentschlossenheit unserer Feinde die Wage hielt, in An-
griff genommen. Die entscheidende Underung in unserer Führerschaft
brachte nun wieder eine Verstärkung der militärischen Führung.
Was Hindenburg und Ludendorff verkörperten, war Feldherrnkunst,
unbeugsame Tatkraft und die allgemeine, bis zum blinden Vertrauen ge-
steigerte Liebe des Volkes. Diese Werte kamen an der Spitze der Obersten
Heeresleitung allein nicht zur Geltung. Die Zeiten, wo Feldherrnkunst sich
bewähren konnte, waren vorbei. Sie kehrten nur noch einmal kurz beim
Feldzug in Rumänien und nach dem Durchbruch am Isonzo in Ober-
italien wieder. Der Wiederbeginn großer Operationen war auch nach