Die Oberste Heeresleitung. 209
einem entscheidenden Schlag an der West= oder der Ostfront nicht zu er-
warten. Die militärische Kriegführung brauchte nichts mehr als restlose
Entfaltung der Volkskraft und einen starken Willen. Dieser war im Heer
ausreichend vorhanden, erstere mußte die Heimat dem Heere geben. Die
Führer des Heeres verfügten noch über ausreichendes Vertrauen. An
diesem und starkem Willen fehlte es aber der politischen Leitung. Es
war vorauszusehen, daß es zu schweren inneren Kämpfen führen mußte,
wenn Tatkraft und Vertrauen wieder nur einseitig bei der Obersten Heeres-
leitung lagen. In diesem Kampf war ein schneller Verbrauch der letzten
Werte, über die wir verfügten, zu erwarten. Blieb in diesem Kampf nicht
die Oberste Heeresleitung Sieger, dann war die Energie unserer Krieg-
führung und damit die innere Widerstandskraft des Volkes endgültig ver-
braucht, waren wir dem Vernichtungswillen der Feinde ausgeliefert.
Dem General Ludendorff waren, als er sein neues Amt antrat, die
Schwierigkeiten, die es ihm im Verkehr mit der politischen Reichsleitung
und gegenüber der beginnenden Spaltung der Parteien bringen mußte,
aus eigener Erfahrung nicht bekannt. Er trat es mit dem festen Willen
an, „ein völlig reibungsloses Zusammenarbeiten der maßgebenden
Stellen zu sichern, um der Einheitlichkeit, die unsere Gegner unter Eng-
lands Führung in ihr politisches und militärisches Handeln gebracht hatten,
etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen“. In das Gelingen dieser Absicht
waren auf Grund der in meinem Arbeitsgebiet vorliegenden Erfahrungen
Zweifel zu setzen. Es stand mir aber nicht zu, diese nach gefallener Ent-
scheidung zur Sprache zu bringen und von vornherein Mißtrauen zu säen.
Um so weniger, als der Reichskanzler durch den Entschluß der Übernahme
der politischen Presseleitung auf meinem Arbeitsgebiet die Absicht der Zu-
sammenarbeit gleichfalls hatte erkennen lassen.
Schon General v. Falkenhayn sprach frühzeitig im Kriege von der
Notwendigkeit einer alles umfassenden einheitlichen Kriegsleitung. Die
Vereinigung der Geschäfte des Kriegsministers mit denen des General-
stabschefs entsprang diesem Gedanken. Sie hatte aber bereits die Un-
möglichkeit erwiesen, eine über die eigenen Aufgaben hinausgehende
Kriegsleitung in der Hand des Generalstabschefs zu vereinen. Politischer
Ehrgeiz, den Leute, deren Gesichtskreis über den engen eigenen Horizont
oder über die Partei oder über die eifersüchtige Wahrung des eigenen
Ressorts nicht hinausreichte, daraus folgerten, lag ihm nach meiner Über-
zeugung fern. Die politische Erbschaft, die jeder, wer es auch war, anzu-
treten hatte, war nicht verlockend. Nur das Pflichtgefühl gegen das Vater-
land konnte solchen Gedanken zeitigen. Das Mißtrauen, das er fand,
brachte ihn nicht zur Reife. Im Generalfeldmarschall v. Hindenburg
konnte uns jetzt der große Führer, im General Ludendorff der Organisator
Ricolat, Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg. 14